Im neuen Buch von Rainer Brüderle wehrt sich der FDP-Politiker gegen die Sexismus-Vorwürfe gegen seine Person. Welche Rolle hat das Hotel Maritim in Stuttgart bei der #Aufschrei-Debatte gespielt?

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Vor über einem Jahr hat die „Stern“-Autorin Laura Himmelreich eine Debatte über Sexismus in der Politik losgetreten. Nun hat Rainer Brüderle in seinem im Lau Verlag erschienenen Buch „Jetzt rede ich!“ seine Sicht der Dinge geschildert. In dem Buch äußert sich der ehemalige FDP-Bundeswirtschaftsminister zu den Gründen des Niedergangs seiner Partei, wirft einen Blick in die Zukunft der FDP und verteidigt sich gegen die #Aufschrei-Kampagne. Ein Gespräch über den besonderen Charakter von Hotel-Bars, Gespräche unter drei und sein Verhältnis zu Stuttgart.

 
Herr Brüderle, Sie beklagen in Ihrem Buch eine Kampagne des „Stern“ gegen Ihre Person. Zu den Anfeindungen im Internet gegen Ihre Person äußern Sie sich aber nicht. Hat Sie die #Aufschrei-Debatte im Netz kalt gelassen?
Selbstverständlich hat mich der Shitstorm im Internet sehr getroffen. Das Problem dabei ist, dass man oft anonymen Angriffen ausgeliefert ist, gegen die man sich schwer zur Wehr setzen kann. Ich beklage hier nicht das Internetzeitalter ganz allgemein, es ist aber heute sehr leicht, eine solche Strömung, eine solche Kampagne zu initiieren.
War es denn wirklich eine Kampagne gegen Ihre Person? Oder waren die Sexismus-Vorwürfe aufgrund Ihrer Dirndl-Äußerung nicht vielmehr gerechtfertigt?
Das war eine vorbereitete Kampagne, die fertig in der Schublade lag, um zum richtigen Zeitpunkt lanciert zu werden. Das Ärgerliche dabei war, dass eine wichtige gesellschaftliche Debatte um Sexismus benutzt wurde, um der FDP und mir persönlich zu schaden – was ja auch gelungen ist.
Ein Jahr nach der Debatte hat sich gesellschaftlich nicht wirklich etwas geändert. Macht das die Sache für Sie noch bitterer?
Es ist schade, weil es sich bei der Debatte um ein ernsthaftes Anliegen handelt. Die Initialzündung war politisch motiviert. Dass sich ausgerechnet der „Stern“ als Vorkämpfer gegen Sexismus geriert hat, der in der Vergangenheit oft mit knapp bekleideten Damen auf dem Titel um Auflage gekämpft hat, halte ich für nicht redlich.
Welche Rolle hat der Ort, die Bar des Hotels Maritim in Stuttgart, für Ihren verhängnisvollen Satz gespielt? In welchem Kontext konnte es zum Dirndl-Gate kommen?
Fast 25 Jahre lang habe ich am Vortag des Dreikönigstreffens der FDP in Stuttgart, beim Landesparteitag, auf Wunsch meiner Freunde in Baden-Württemberg eine Rede gehalten. Danach fand traditionell der Dreikönigsball statt. Es war üblich, sich im späteren Verlauf des Abends zu vertraulichen Gesprächen mit Journalisten, im Journalistenjargon Gespräche unter drei genannt, an der Bar des Maritim zu treffen. Da wurde Wein getrunken, herum geflachst und nie ist auch nur ein Satz anschließend an die Öffentlichkeit gegangen.
Und wie hat die lockere Runde auf Ihren Dirndl-Satz reagiert?
Das war eine lockere Atmosphäre, über die angesprochene Äußerung hat sich niemand beschwert, auch die Dame selbst nicht.
Wie kamen Sie überhaupt darauf, eine Journalistin auf ihre Dirndl-Fähigkeiten anzusprechen?
Ich wollte von dem von ihr angestoßenen, etwas geschmacklosen Thema, ob ich in meinen Alter noch kandidieren sollte, loskommen. Da die Dame nur Wasser oder Cola trank, fragte ich sie, ob sie nicht auch einmal ein Bier oder einen Wein wolle. Daraufhin sagte sie, sie käme aus München und würde auf dem Oktoberfest schon mal ein Bier trinken. Da ist dann der besagte Satz gefallen. Das war aber völlig harmlos gedacht.
Viele haben den Satz aber anschließend nicht als harmlos empfunden. War er eben doch der besonderen Atmosphäre einer Bar geschuldet?
Im Maritim haben sie gut gezapftes Bier, aber auch gute Weine, nach einem Ball ist das eben ein schöner Ausklang, sich in solch einem Rahmen noch ein bisschen zu unterhalten. Es ist gesellig und keine „chemisch reine Sezierveranstaltung des Politikbetriebs“.