Die Verlängerung der S 2 nach Neuhausen hat sich jetzt mit der ersten realistischen Kalkulation gleich um 60 Prozent verteuert – trotzdem sollen die Planungen fortgeführt werden. Auch frühere S-Bahn-Projekte sind im Preis gestiegen.

Stuttgart - Die gewaltige Kostensteigerung für die geplante S-Bahn-Verlängerung von Bernhausen nach Neuhausen hat im politischen Raum nicht für große Aufregung gesorgt. Der Tenor: Bisher habe man nur eine allgemeine Kostenabschätzung vorgenommen, die sich im Februar 2013 auf 78,2 Millionen Euro belaufen hatte; jetzt habe man erstmals eine reale Kostenkalkulation, bei der ein Betrag von 124,8 Millionen Euro herausgekommen ist.

 

So sieht dies auch Volker Christiani, der Leiter der Planungsabteilung der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB), die die S 2 als Bauherr verlängert. Die Kostenannahme sei von dem Beratungsunternehmen Switch, einer SSB-Tochter, ermittelt worden. Christiani betont aber, dass die SSB diese Zahlen nicht öffentlich kommuniziert hätten, zu vage seien sie noch gewesen: „Die Beträge beruhten auf pauschalen Schätzwerten für 100 Meter Lärmschutzwand, 500 Meter Schienentrasse oder einem Fixbetrag für Brückenbauwerke.“

„Für die jetzt genannten Baukosten in Höhe von 125 Millionen Euro stehen wir dagegen ein, das ist eine stabile Basis“, betont Volker Christiani. Auch diese Kosten könnten sich allerdings noch durch Inflation, Lohnsteigerungen sowie steigende Rohstoffpreise bis 2021 um etwa zehn Prozent erhöhen. Es sei aber auch denkbar, dass die Endabrechnung – wie beim Bau der Stadtbahnstrecke U 6 von Möhringen zum Fasanenhof – etwas günstiger ausfalle. „Für die U 6 haben wir 82 Millionen Euro veranschlagt, gekostet hat das Projekt letztlich nur 70 Millionen Euro“, so der SSB-Planungschef. Für den Verband Region Stuttgart (VRS) ist auf jeden Fall klar, dass die Planungen trotz der neuen Summe vorerst weitergeführt werden. So schlägt dies die Verwaltung vor, und so sehen es explizit die drei großen Fraktionen CDU, Grüne und SPD. Als Aufgabenträger der S-Bahn könne man sich jetzt nicht verabschieden, sagt Rainer Ganske (CDU). Der gesetzlich geforderte Kosten-Nutzen-Faktor sei immer noch vorhanden, wenn auch nur für das Gesamtprojekt inklusive der Stadtbahn vom Fasanenhof bis zum Flughafen. Ganske sagt aber auch: „Der Ausbau der S-Bahn-Strecken stößt aus Kostengründen an seine Grenzen.“ Er glaubt nicht, dass nach den geplanten Strecken weitere realisiert werden.

Die Fildern als „Entwicklungspol der ganzen Region“

Ingrid Grischtschenko (Grüne) lenkt die Aufmerksamkeit auf die gewaltige Dynamik auf den Fildern rund um den Flughafen – die Verlängerung der S 2 sei deshalb sehr sinnvoll. Auch Thomas Leipnitz (SPD) hält es für unabdingbar, den östlichen Filderraum ans S-Bahn-Netz anzuschließen. Die Kosten für letztlich zwei weitere S-Bahn-Halte in Sielmingen und Neuhausen seien hoch, räumt Leipnitz ein; doch in einem dicht besiedelten Gebiet sei jedes Infrastrukturprojekt teuer.

Jürgen Wurmthaler, der Planungsdirektor des VRS, kann nicht ausschließen, dass die Kosten für die S 2 noch steigen; so könnten im Genehmigungsverfahren weitere Beträge für Brandschutz dazukommen. „Aber der Filderraum ist mit Flughafen-City, Filderbahnhof und Zentralem Omnibusbahnhof derzeit der Entwicklungspol für die gesamte Region“, so Jürgen Wurmthaler. Für die S-Bahn wirbt auch Neuhausens Bürgermeister Ingo Hacker: „Der S-Bahn-Anschluss ist eine einmalige Chance für unsere Gemeinde – wenn wir diese jetzt verstreichen lassen, kommt sie vielleicht in hundert Jahren nicht wieder.“ Hacker und auch Wurmthaler verpflichten sich aber auch: An der jetzigen Baukostensumme müsse man sich messen lassen.

Auch die S 60 wird nochmals deutlich teurer

Die ermittelten Mehrkosten müssten zum großen Teil Bund und Land tragen; am VRS bleiben 7,4 Millionen Euro hängen, am Landkreis Esslingen und den Kommunen Filderstadt und Neuhausen 3,6 Millionen Euro. Da fraglich ist, inwieweit der Bund sein jetziges Förderprogramm über 2019 hinaus fortführt, ist die Finanzierung von weiteren 29 Millionen Euro offen – es ist deshalb möglich, dass noch vor dem Baustart 2019 die Reißleine gezogen wird. Jürgen Wurmthaler nimmt das Land in die Pflicht: Es habe bei anderen Projekten eine Garantie für ausfallende Bundesmittel gegeben; da erwarte man in der Region Stuttgart schon eine Gleichberechtigung.

Auch andere Projekte in der Geschichte der S-Bahn sind teurer geworden als geplant, so die S 2 vom Flughafen nach Bernhausen (eröffnet 2001) um knapp 20 Prozent. Die jüngsten S-Bahn-Projekte – die S 60 von Böblingen nach Renningen und die S 4 von Marbach nach Backnang – sind immer noch nicht endgültig abgerechnet. Für die S 60 rechnet Jürgen Wurmthaler aber „mit gewaltigen Summen“ an Nachforderungen. Das Projekt war während der Bauphase wirtschaftlich aus dem Ruder gelaufen, die Kosten stiegen um 60 Prozent auf zuletzt 151 Millionen Euro. Am Ende könnte nochmals eine zweistellige Millionensumme hinzukommen.