Das neue Dach des denkmalgeschützten Stadions Maracanã haben Stuttgarter Ingenieure geplant. Dabei hatten sie einige Herausforderungen zu meistern. Das Stadion in Rio ist nicht das einzige, das die Stuttgarter Ingenieure auf Vordermann brachten.

Stuttgart - Die letzten WM-Endausscheidungen fanden immer in Arenen statt, die wir gebaut oder modernisiert haben – 2006 im Berliner Olympiastadion, 2010 in Johannesburg –, aber nie war die deutsche Mannschaft dabei.“ Deswegen freut sich der Stuttgarter Bauingenieur Knut Göppert vom Büro Schlaich, Bergermann und Partner besonders, dass die Elf aus Alemanha morgen im Finale steht. Denn auch das legendäre Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro haben die Ingenieure aus Stuttgart „auf Vordermann gebracht“, wie Göppert sagt – neben drei anderen brasilianischen Arenen in Brasília, Manaus und Belo Horizonte.

 

Göppert verhehlt jedoch nicht, dass ihm das Ausscheiden der Seleçao auch leidtut. Land und Leute sind dem Schwaben in der siebenjährigen Planungs- und Bauzeit ans Herz gewachsen. Um die Projekte in Brasilien zu stemmen, haben Schlaich, Bergermann und Partner extra eine Niederlassung in Sao Paulo gegründet – auch weil die Arbeit mit den WM-Stadien nicht beendet ist, sondern „weil es im Land viel für uns zu tun gibt“ und für die Olympischen Spiele 2016 in Rio noch ein Schwimm- und ein Tennisstadion auf der To-do-Liste standen. Die Planung dafür haben die Stuttgarter gerade abgeschlossen.

Das Maracanã ist eine besondere Herausforderung

Das denkmalgeschützte Maracanã bedeutete für die deutschen Ingenieure trotz aller Erfahrung eine besondere Herausforderung. Zuletzt befand sich der Bau in marodem Zustand, dennoch war klar, dass man an einem Mythos nicht nach Belieben herumdoktern darf. Das Betondach aus den fünfziger Jahren ließ sich jedoch nicht erhalten, auch wenn viele Fans das gern gesehen hätten. Technisch konstruktiv entsprach es nicht mehr heutigen Standards, vor allem aber überdeckte es nicht einmal die Hälfte der Plätze – eine WM ist damit heute nicht mehr zu machen.

Eine Form, die die berühmte Silhouette des Maracanã stark verändert hätte, kam nicht in Frage. Die Ingenieure entschieden sich daher für eine Leichtbaukonstruktion, eine Bauweise, auf die man bei Schlaich, Bergermann spezialisiert ist. Ähnlich wie der massive Vorgänger überwölbt das neue Dach die Zuschauerränge nur flach und lässt in der Mitte eine ovale Öffnung von 160 mal 122 Meter frei. Obwohl es nach innen gleichmäßig und stützenfrei 68 Meter über die Sitzreihen spannt, blieb die niedrige Außenansicht der Stadionschüssel unverfälscht erhalten.

Technisch gesprochen handelt es sich um eine leichte, materialsparende Konstruktion aus einem äußeren Druckring und drei inneren Zugringen – eine Lösung, die den Ingenieuren erst in Rio eingefallen ist. Darüber hinaus besteht das Dach nur aus radial gespannten Seilen und einem schneeweißen Glasfasergewebe. Mit 90 Kilogramm pro Quadratmeter ist es ein echtes Fliegengewicht, das luftig und elegant über dem Rasen schwebt und mit seinem textilen Faltwerk sogar ein wenig an die plissierte Oberseite des alten Betondachs erinnert. „Es war eine Achterbahnfahrt, bis wir den Auftrag hatten“, sagt Knut Göppert rückblickend. „Am Ende haben die Auftraggeber vom Baukonsortium aber verstanden, was wir planten und auf unsere Erfahrung im Umgang mit denkmalgeschützten Stadionbauten vertraut.“

In der Bildergalerie werfen wir nochmals einen Blick in alle zwölf WM-Stadien. Klicken Sie sich durch!