Zum 1. September erhöht der Bezahlsender Sky die Tarife für Gaststätten. Die Stuttgarter Wirte sind sauer: Schon vor einem Jahr mussten sie eine Erhöhung hinnehmen. Aber ein Leben ohne Bundesliga kann sich Manfred Schuster vom „Zum Dortmunder“ auch nicht vorstellen.

Stuttgart - Sie können nicht wirklich miteinander, aber ohne einander geht es auch nicht: der Bezahlsender Sky und Fußballkneipen, das ist eine Beziehung voller Missverständnisse. In Hochglanzbroschüren wirbt das Münchner Unternehmen für sein Gastronomiepaket, das außer Bundesliga, Europa und Champions League auch Formel-1-Rennen, Golfturniere, Handball, 24-Stunden-Sportnachrichten, Tennis und Beachvolleyball umfasst. Das Paket hört sich nach amerikanischer Sportsbar an. Nach mehreren Fernsehgeräten, die verschiedene Sportarten zeigen. Nach Cheeseburger und Chicken Wings.

 

Zur klassischen Fußballkneipe passt das nicht: Die ist alt, mit dunklem Holz vertäfelt und will nur die Bundesligaspiele ihres Vereins in ihrer Stadt zeigen. Dort gibt es Fleischküchle und Halbe.

Seit Sky angekündigt hat, ein Jahr nach einer Preiserhöhung zum 1. September dieses Jahres schon wieder die Gebühren zu erhöhen, sind viele Gastwirte sauer auf den Bezahlsender – auch Andreas Göz, der Wirt der Kneipe Maulwurf in Vaihingen. „Bis zum 1. September 2013 haben wir 3900 Euro im Jahr für das Abo gezahlt, nach dem Aufschlag um 40 Prozent waren es knapp 5500 Euro, und ab September diesen Jahres wären es 8080 Euro“, sagt Göz. „Die Rechnung geht überhaupt nicht auf“, empört sich Göz, der bis 2010 jahrelang das Ackermanns im Westen geführt hat. „Diejenigen, die samstags zum Fußballschauen kommen, trinken ein, höchstens zwei Getränke. Nach dem Schlusspfiff gehen die meisten wieder nach Hause zu ihren Freundinnen oder Familien. Aber wir müssen trotzdem mehr Personal beschäftigen.“

Göz findet, dass er als VfB-Fan schon genug gelitten hat

Trotzdem wird Göz bei Sky bleiben. Sein Herz hängt am VfB Stuttgart, der Maulwurf ist offizieller Fantreff des Vereins. Göz ist wütend auf den Bezahlsender – und findet, dass er zuletzt schon genug gelitten hat. „Eigentlich hätte es für Stuttgarter Wirte nach dieser VfB-Leistung billiger werden müssen“, sagt Göz, der schweren Herzens Einsparmöglichkeiten sucht. „Dann sponsern wir keine Trikots mehr für die Jugendmannschaften des SV Vaihingen.“

Herbert Nowack, der Nachfolger von Andreas Göz als Ackermanns-Wirt, hat schon bei der Preiserhöhung vor einem Jahr reagiert und Sky gekündigt. Dabei war das Ackermanns eine der wichtigsten Fußballkneipen Stuttgarts. „Wir haben damals spontan entschieden, diese Abzocke nicht mitzumachen“, sagt Nowack. „Klar gab es ein paar Gäste, die diese Entscheidung nicht akzeptieren wollten, aber es sind auch viele Gäste neu dazugekommen, weil nicht mehr so viel Fußball gezeigt wird.“

Für Manfred Schuster, der die Kneipe Zum Dortmunder an der Silberburgstraße im Westen führt, wäre seine Gaststätte ohne Bundesliga undenkbar. „Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu zahlen.“ Wie es der Name vermuten lässt (vor mehr als 40 Jahren hat ein Dortmunder die Gaststätte gegründet), werden dort BVB-Spiele gezeigt. Spielt der VfB zeitgleich, zeigt Schuster die Stuttgarter (im Gegensatz zum Kneipengründer ist er hier geboren). Schuster versteht nicht, dass man nichts gegen die Preispolitik machen kann. „Wozu haben wir ein Kartellamt? Das ist doch ein astreines Monopol.“

Für viele Fans ist ihre Fußballkneipe ein Stück Heimat

Viele Wirte haben sich an den Hotel- und Gaststättenverband Dehoga gewandt. „Der Dehoga hat seinen Unmut gegenüber Sky deutlich vorgetragen“, sagt Daniel Ohl vom baden-württembergischen Dehoga. Der Verband hat Rabattierungen von bis zu 800 Euro im Jahr ausgehandelt. Göz verlangt mehr: „Es wäre die Aufgabe vom Dehoga, einen Boykott zu organisieren.“

Die Wirte empfinden es als unfair, dass nur sie und nicht die privaten Abonnenten mehr zahlen müssen. „Im Privatkundenbereich stellt sich aufgrund unseres starken Wachstums von jährlich mehr als 300 000 Neukunden die Einnahmensituation anders dar als bei den Geschäftskunden“, sagt Britta Krämer, die Sprecherin von Sky. „Aufgrund der sich  verändernden Lizenzkosten für Programminhalte und weitere Kosten müssen wir unsere Preise in regelmäßigen Zeitabständen überprüfen und anpassen.“

Einige Stuttgarter Kneipen müssen ums Überleben kämpfen. Die Wirte befürchten, dass ohne Fußball die Gäste wegbleiben. Tatsächlich wollen viele Stammgäste nicht zu Hause auf dem Sofa schauen. Die Kneipe ist ein Ritual, für viele heißt das: alleine schauen, aber nicht einsam. Hier sitzt der Handwerker neben dem Manager und der Kreative neben dem Arbeitslosen. Event-Gucker, die sich bei einer WM Kunstblumenketten in Schwarz-Rot-Gold um den Hals legen, gibt es nicht. Mit Public Viewing hat eine Fußballkneipe nichts zu tun. Einrichtung und Ambiente dürfen rustikal und kaschemmenhaft sein. Auf dem Platz geht es ja auch nicht vornehm zu. Ein bisschen Vereinsheim-Charme muss sein – die Frage ist nur, wie viele solcher Kneipen sich die Sky-Gebühren noch leisten können.

Je näher ein Bundesligaclub, desto teurer das Abo:

Preismodell:
Bis September 2013 hatte Sky die Gebühren in sechs Stufen nach der Quadratmeterfläche der Betriebe gerechnet. Vor einem Jahr wurde ein neues Modell eingeführt, in dem auch die Bevölkerungsdichte, Kaufkraft und Sportaffinität (Nähe zu einem Bundesligaverein) der Stadt oder Region eine Rolle spielte. Für Stuttgarter Kneipen wurde Sky dadurch teurer. Zum 1. September stellt Sky nicht das System um, sondern erhöht die Tarife.

Übersicht
: Über den Skyfinder (www.sky.de) kann man sehen, welche Gaststätten in welchen Städten Sky abonniert haben. Für Stuttgart werden 196 Betriebe aufgeführt, davon sind 17 Hotels. Über Kündigungen macht der Sender keine Angaben.

Anfänge: Seit März 1991 hat Premiere (der Vorgänger von Sky) ein Mal in der Woche ein Topspiel live übertragen. Seit der Saison 2000/2001 hat Premiere alle Spiele live übertragen. 2012 erwarb Sky von der Deutschen Fußballliga (DFL) für vier Jahre alle Pay-TV-Rechte für die Bundesliga bis zur Saison 2016/17. Sky zahlte dafür im Schnitt 485,7 Millionen Euro pro Saison. leo