Das Friedrichsbau Varieté zeigt auf dem Pragsattel sein neues Programm „100 % Magic“. Doch dieser Titel ist nicht ganz ernst zu nehmen.

Stuttgart - Show ist Übertreibung, man könnte auch sagen: Flunkerei. Und dass der Titel der neuen Friedrichsbau-Varieté-Show, „100 % Magic“, nicht wörtlich zu verstehen ist, merkt man schon in der ersten Nummer der Zauberrevue. Da tanzt Jorgos Katsaros unentschlossen mit einem Hemd, und schon sinkt auf dem Pragsattel der noch mögliche Magieanteil des Abends um einige Prozentpunkte, sagen wir auf 97.

 

Aber dann kommt auch Yosuke Ikedas Tanzerei um die Schlummerfunktion eines Weckers nicht gerade magisch rüber und Julius Fracks Fingergymnastik zum Mitmachen schon gar nicht. Weitere Prozentpunkte gehen flöten, als ein Glaskasten auf die Bühne und gleich wieder fortrollt. Da ist offenbar was schiefgegangen. Apropos: Um eine Bühne, die von vornherein an ein Lager erinnert, als Lagerraum auszustatten, bedarf es keiner Magie; um Großraumdisco-Mucke aus Lautsprechern plärren zu lassen auch nicht. Kurzum: der potenzielle Magiegehalt des Abends schmiert ab wie Hillary Clintons Umfragewerte in den USA.

Was nicht heißt, dass „100 % Magic“ nicht auch schöne, erstaunliche Nummern zu bieten hätte. Die meisten von ihnen haben was mit dem Verschwindenlassen von Menschen aus größeren Behältnissen (Trommel, Kiste) und ihrem ortsfremden Wiederherzaubern zu tun: Julius Frack kennt sich aus mit der Großillusion. Aber auch kleine, feine Nummern wie die unerklärliche Vermehrung von Olivenöl-Flaschen mittels „Pappröhren aus Metall“ (der lustige Spruch des Abends) amüsieren mit ihrer Leichtigkeit. Schade nur, dass der Olivenöl-Vermehrer Jorgos Katsaros bald darauf die Uralt-Nummer mit den sich verketteten Metallringen aus der Mottenkiste kramt: Oft wirkt dieser Abend so strapazierend effizient, als habe ein Geizhals einen reichhaltig bestückten Zauberkasten erworben und glaube nun – des Kosten-Nutzen-Verhältnisses wegen –, auch noch das Füllmaterial vorführen zu müssen: Dreißig Nummern stehen auf dem Programm. Die wirklich begeisternden Acts gehen unter.

Einen zeigt Ana Volodka: Strapatenkunst mal auf die harte Tour –eine rohe Rockshow in den Kletterseilen, in denen ihre Kolleginnen für gewöhnlich versuchen, die Gefilde der Poesie zu erklimmen. Für die Poesie hingegen ist diesmal Martin Brock zuständig: Aus Müll kreiert er einen Filmprojektor, der sich alsbald in ein selbstfahrendes Fahrrad verwandelt. Sehr hübsch ausgedacht ist das, sehr poetisch umgesetzt, ansprechend inszeniert.

Aber dann wieder Längen und 08/15-Kram statt 100 %. Die Gurken-Guillotine verschont die Frauenhand aber halbiert das Gemüse, und wir spickeln in die Presseinfo: „100 % Magic ist eine Show-Sensation“, steht da. Ist das noch Flunkerei? Sensationell immerhin ist die Würde, mit der die Helden der Show ihr Ding durchziehen.