Das Konzept für die Ausstellung im Stuttgarter Hotel Silber, der ehemaligen Gestapozentrale nahe des Karlsplatzes, ist fertig. Wichtige Fragen sind jedoch noch offen. Ein Überblick.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Das Konzept für die Ausstellung im Hotel Silber, der ehemaligen Gestapozentrale nahe des Karlsplatzes, ist fertig, der organisatorische Aufbau ist weitgehend geklärt – die wichtigen Punkte finden Sie hier im Überblick.

 

Brauchen wir noch eine Gedenkstätte?

In Baden-Württemberg gibt es heute etwa 60 Stätten, die an die Gräuel des nationalsozialistischen Regimes zwischen 1933 und 1945 erinnern. Selbst viele Menschen, die das Gedenken grundsätzlich für wichtig halten, fragen sich deshalb, ob das Hotel Silber wirklich notwendig ist.

Bei näheren Hinsehen tauchen viele Argumente auf, die dafür sprechen. So gibt es unter den 60 Gedenkstätten nur zwei (der Obere Kuhberg in Ulm und die Gedenkstätte Grafeneck), die hauptamtliche Mitarbeiter haben; alle anderen leben im Prinzip von der Selbstausbeutung engagierter Bürger. Das im Verhältnis gut ausgestattete Hotel Silber könnte also vielleicht auch einen Schub für die anderen Orte bringen.

Daneben hat das Hotel Silber als ehemalige Gestapozentrale einige herausragende Besonderheiten. So sei es einer der wenigen authentischen Täterorte im Land, sagt Thomas Schnabel, der Leiter des Hauses der Geschichte, an das die Gedenkstätte angegliedert werden soll. Dort könne man den Tätern begegnen, die die Juden deportiert, die Kommunisten verfolgt und die Zwangsarbeiter hingerichtet haben. Zudem öffne das Hotel Silber den Blick in die Zeit vor 1933 und nach 1945: Fast nirgendwo sonst könne man so gut zeigen, sagt Schnabel, wie bestehende Institutionen in die Diktatur hineinwuchsen – und wie manche Opfergruppen, etwa Homosexuelle oder Roma, nach 1945 weiter verfolgt wurden: „Da hatte sich im Bewusstsein nichts Wesentliches geändert.“

Zudem ist das Hotel Silber auch ein spannendes Experiment: Die Stuttgarter Bürgerinitiative, die zum Erhalt des Gebäudes beigetragen hat, kann in Planung und Betrieb viel mitreden. Es entsteht also auch eine „Gedenkstätte von unten“.

Wie sieht das Konzept aus?

Da für den Lern- und Gedenkort im Hotel Silber nur drei statt der ursprünglich vier Stockwerke zur Verfügung stehen, ist das Raumprogramm sehr gedrängt; im Moment gibt es auf den 1000 Quadratmetern nicht einmal Platz für ein Büro. Die Ausstellung im ersten Stock umfasst 300 Quadratmeter – da die alte Struktur der Gestapo-Büros erhalten geblieben ist, will man die Besucher bewusst durch diese engen Räume der Schreibtischtäter führen.

Einige Aspekte sollen aber in Schaukästen ausgelagert werden, um Platz zu sparen und um Aufmerksamkeit zu erregen. Schon draußen vor dem Gebäude wird der erste Kasten zu sehen sein: Dort will man an den württembergischen Staatspräsidenten Eugen Bolz erinnern, der 1933 im Hotel Silber verhört und dann beim Verlassen des Hauses von einer bestellten Menge wüst beschimpft wurde. Im Erdgeschoss können Veranstaltungen und Kurse stattfinden, im Keller werden die – längst verschwundenen – Verwahrzellen thematisiert.

Gibt es neue methodische Ansätze?

Bisher suchen das Haus der Geschichte und die Bürgerinitiative noch nach dem richtigen Untertitel für das Hotel Silber; klar ist beiden: Der Begriff „Gedenkstätte“ trifft es nicht. Natürlich soll im Hotel Silber auch an die Opfer erinnert werden – aber der Blick müsse auch in die Gegenwart gerichtet sein. Gerade Schüler, für die der Zweite Weltkrieg gefühlt ebenso lange vorbei ist wie der Dreißigjährige Krieg, fragen: Was hat das alles mit mir zu tun? Darauf soll das Hotel Silber Antworten liefern. Ansätze sind im Konzept erkennbar, doch wirken sie noch zu wenig konkret; vielleicht sind die Verantwortlichen auch noch zu wenig mutig beim Finden neuer pädagogischer Konzepte. Wichtig ist für Thomas Schnabel eine Kooperation, die das Haus der Geschichte vor wenigen Wochen mit der Polizei geschlossen hat: Im Hotel Silber sollen angehende Polizisten staatsbürgerlichen Unterricht erhalten, denn sie trügen zur Verteidigung der demokratischen Werte besonders viel bei. Auch andere Berufsgruppen will man ins Hotel Silber einladen, um mit ihnen zum Beispiel diese Frage zu diskutieren: „Wie konnten die Deutschen so problemlos in diese Diktatur hineinrutschen? Und sind wir heute wirklich davor gefeit?“, fragt sich Schnabel.

Die Bürgerinitiative verfolgt einen weiteren Ansatz. Sie will mit Gruppen zusammenarbeiten, die sich mit aktuellen Themen auseinandersetzen, zum Beispiel mit Asylfragen oder mit Rechtsextremismus. Das Hotel Silber soll deshalb nicht nur ein Ort der Erinnerung, sondern auch ein Ort der Demokratie und der Zivilcourage werden. Inwieweit es für Schüler Angebote geben wird, die neue pädagogische Ansätze verfolgen, ist aber noch offen.

Wie teuer wird das Hotel Silber?

Die Kosten für den Umbau des Gebäude übernimmt das Land; es wird mit drei bis fünf Millionen Euro gerechnet. Der jährliche Etat liegt dann bei 650 000 Euro inklusive der Miete; die Stadt Stuttgart beteiligt sich mit 250 000 Euro. Einen großen Mitarbeiterstab wird es bei den Summen auch im Hotel Silber nicht geben können; man hofft auf Synergieeffekte durch die gemeinsame Verwaltung mit dem Haus der Geschichte.

Andere Städte investieren deutlich mehr. München errichtet an der Stelle, wo früher die Parteizentrale der NSDAP stand, das „Braune Haus“, gerade einen Neubau für 28,2 Millionen Euro; er wird im April nächsten Jahres eröffnet. Der jährliche Etat soll bei 2,2 Millionen Euro liegen, den die Stadt München alleine stemmt. Schon seit 1979 gibt es das NS-Dokumentationszentrum in Köln, das ebenfalls in der ehemaligen Gestapozentrale untergebracht ist – dort stehen jährlich 1,8 Millionen Euro zur Verfügung, die Nutzfläche ist ungefähr dreimal so groß wie in Stuttgart. Im Gegensatz zum Hotel Silber leistet das Kölner Zentrum auch historische Forschung, besitzt eine große Bibliothek und hat eine Infostelle gegen Rechtsextremismus angegliedert. Verglichen mit München oder Köln besitzt das Hotel Silber also eher bescheidene Ausmaße.