Der Skandal um die Abgaswerte ist bei Volkswagen eigentlich ein zweitrangiges Thema. Lange hat sich VW Veränderungen entgegengestellt. Und das rächt sich jetzt, meint Wirtschaftsredakteur Walther Rosenberger.

Wolfsburg - Hinter den aktuellen Milliardenbelastungen in Folge des Abgasskandals bei Volkswagen versteckt sich eine tiefergehende Malaise. Das System Volkswagen hat sich in Teilen von den wahren Verhältnissen in der Automobilindustrie abgekoppelt. In Jahrzehnten haben sich speziell in den Stammwerken des Konzerns Strukturen herausgebildet, die man ohne viel Übertreibung als Manager-und-Mitarbeiter-Versorgungswerke könnte. Als Folge hapert es bei der Organisation und die Kosten laufen aus dem Ruder. Die Arbeitsproduktivität ist im Keller. Rein statistisch betrachtet hat ein VW-Mitarbeiter im Jahr 2015 in Summe 16 Autos hergestellt. Ein Jobber beim US-Konkurrenten General Motors schraubte in dem selben Zeitraum 46 Fahrzeuge zusammen – das 2,7-Fache. 475 Euro verdiente die Marke VW – ohne die Belastungen des Dieselskandals – im Durchschnitt 2015 an jedem verkauften Auto. Andere Hersteller wie Toyota und GM, Peugeot oder Renault sind viel schneller und profitabler.

 

Verantwortlich für VWs Behäbigkeit ist eine auf den ersten Blick arbeitnehmerfreundliche Eigenheit im Volkswagen-Konzern. In ihm geht ohne die Stimmen der Arbeitnehmervertreter und der niedersächsischen Landespolitik gar nichts. Zusammen haben sie die Mehrheit im Aufsichtsrat und können sich wichtigen Entscheidungen des Managements entgegenstellen. Das tun sie auch – zumeist, wenn es darum geht Kosten zu senken und Effizienzen zu heben.

Diese strukturelle Schwachstelle konnte der VW-Konzern lange übertünchen, einfach in dem er globaler wurde und immer mehr Autos im billigen Ausland produzieren ließ. Aber diese Strategie wird zusehens schwieriger. In China, dem Parademarkt der Wolfsburger, ist die Konkurrenz immer schneller unterwegs. Zudem trüben sich die wirtschaftlichen Perspektiven generell ein. Und in den USA ist das Image des Konzerns durch den Dieselskandal nachhaltig beschädigt.

All das deutet darauf hin, dass VW sich wandeln muss – der Druck jedenfalls steigt. Die sprichwörtliche VW-Kultur beginnt schon zu bröckeln. Dabei hat das Sparen noch gar nicht richtig angefangen. Der Zahltag kommt aber. Und nach Jahrzehnten der verpassten Strukturanpassungen könnte er für die Beschäftigten wirklich happig ausfallen.