Mitarbeiter aus dem Westen leiden unter Personalkürzungen und der Rubelschwäche. Viele der bisher gut begüterten Expats verlassen Russland.

Schon seit Mitte letzten Jahres verliert der Rubel langsam, aber stetig an Wert – und damit auch das Realeinkommen von Sophie. Das Gehalt, die Boni, die Prämien. Sophie ist Französin. Senior Consultant bei einer Beratungsfirma. Einer russischen, die Führungspersonal – ausländisches wie einheimisches – für aufstrebende russische Firmen sucht und bei Vertragsabschluss von beiden kassiert. Sophie kam 2007 nach Moskau. Die Branche boomte und die Aktienkurse russischer Unternehmen kannten nur eine Richtung: steil aufwärts. Dass sie in der Landeswährung entlohnt werden sollte, störte Sophie nicht: Mit dem Rubel ging es je ebenfalls steil aufwärts.        

 

Jetzt wird es allerdings kritisch. Denn den Kredit, den die 48-jährige für ihren Senioren-Wohnsitz in der Provence aufgenommen hat, muss sie in Euro zurückzahlen. Und durch den schwachen Rubel werden die monatlichen Tilgungsraten immer teurer. Sie wolle trotzdem nicht jammern. Noch habe sie ja Arbeit. Die Frage ist aber, wie lange noch. Russland erlebt einen Massenexodus westlicher Experten, den selbst die Föderale Einwanderungsbehörde in ihrer jüngsten Studie zum Thema Arbeitsimmigration „beispiellos“ nennt. Demzufolge verabschiedeten sich seit Januar 2014 rund 31 Prozent aller in Russland arbeitenden Deutschen, 36 Prozent aller US-Amerikaner, 38 Prozent der Briten und nahezu jeder zweite Spanier: 41 Prozent. Investmentbanker und Topmanager, Juristen, und Analysten, Dozenten und Fußballer.

Allein ihr Unternehmen, sagt die Personalchefin eines Finanzdienstleisters, die weder ihren eigenen noch den Namen ihrer Firma gedruckt sehen möchte, habe seit Jahresbeginn 15 Prozent aller „Expats“ kündigen müssen.   Dieser englische Fachbegriff bezeichnet Mitarbeiter internationaler Unternehmen, die für einige Jahre ins Ausland entsandt werden.

Russischer Expat-Luxus

Seit den wilden Neunziger Jahren sind ganze Scharen von westlichem Führungspersonal nach Russland gekommen, um dem Land bei der Geburt des Kapitalismus beizustehen. Als Berater von Politik und Wirtschaft oder als Repräsentanten westlicher Unternehmen, die Russland als Absatzmarkt entdeckten. Jetzt schließen europäische wie US-amerikanische Unternehmen reihenweise Niederlassungen und Zweigstellen oder kürzen das dort beschäftigte Personal drastisch.

Wenn überhaupt, werden die Vakanzen mit Einheimischen neu besetzt, Russen hätten schon vor der Krise bis zu 30 Prozent weniger Geld in der Lohntüte gehabt, als die Expats. „Für die gleiche Arbeit und bei gleicher Qualifikation“, sagt die Russin Ella, die bei einem Personalberater aus dem Westen arbeitet und daher weiß, wovon sie redet. Auch hätten die meisten Mitarbeiter aus dem Ausland eine Art Vollkasko-Paket bekommen, von dem einheimische Kollegen nicht einmal zu träumen wagten. Dazu gehörten etwa eine geräumige, nach westlichen Standards renovierte, Dienstwohnung im Zentrum von Moskau, Dienstwagen mit Fahrer, eine teure internationale Krankenversicherung. Verhandlungsprofis hätten sich vom Arbeitgeber sogar das Schulgeld und die Mitgliedschaft im Fitness-Club erstatten lassen.  

Die weltweite Finanzkrise 2008 löste den ersten Massenexodus der Mitarbeiter aus dem Ausland aus. Wer die Nerven behielt und blieb, machte indes einen guten Schnitt. Laut einer Studie der HSBC-Bank aus dem Jahr 2009 verdienten Expats in Russland damals mehr als in Japan oder Hongkong, die bis dahin im weltweiten Ranking an der Spitze lagen. 30 Prozent von ihnen verdienten demzufolge mehr als 250 000 Dollar im Jahr. Bei einem Einkommenssteuersatz von durchgängig 13 Prozent wollten die meisten nur eines: Russland bis zum Ruhestand. Der Ölpreisverfall und die Rubelschwäche machten aus diesem Lebensentwurf Makulatur.

Die Personalberaterin Ella sucht statt Topmanagern inzwischen Ingenieure und Techniker, Fachkräfte für Hotels und Gastronomie oder die Agrarindustrie. Wegen der eher bodenständigen Bezüge dieser Berufsgruppen geschieht dies bisher mit sehr überschaubarem Erfolg. Russland, befürchtet sie, sei derzeit sogar für Expats aus Osteuropa, nicht besonders attraktiv.