Höchststrafe für einen 14 Jahre alten Killer aus Mexiko. Die Drogenmafia bezahlte ihn für seine Taten. Jetzt muss er ins Gefängnis.

Korrespondenten: Klaus Ehringfeld (ehr)

Cuernavaca - Ein mexikanisches Jugendgericht hat einen 14-jährigen Jungen wegen vierfachen Mordes im Auftrag eines Drogenkartells zu drei Jahren Haft verurteilt. Edgar Jiménez Lugo wurde am Dienstag in einem Verfahren im Jugendgefängnis von Cuernavaca unter Ausschluss der Öffentlichkeit zur Höchststrafe verurteilt, die das mexikanische Strafrecht für Minderjährige vorsieht. Der Junge hatte seine Opfer gefoltert und enthauptet.

 

Der Fall von Edgar Jiménez hat in Mexiko großes Aufsehen erregt. Zum einen belegt er, dass schon Kinder im mexikanischen Drogenkrieg eingesetzt werden. Zum anderen haben die grausamen Taten Fassungslosigkeit in der Bevölkerung ausgelöst. Der Junge brüstete sich im Internet mit den Verbrechen. Der Staatsanwalt hatte gegen ihn alle Schwerverbrechen zur Anklage gebracht, die das mexikanische Strafgesetzbuch bereithält: Drogenschmuggel, unerlaubtes Tragen schwerer Waffen, Mitglied in einer kriminellen Vereinigung, organisiertes Verbrechen, Entführung, Folter und Mord. Insgesamt hatte die Anklage 42 Zeugen aufgeboten. Die Pflichtverteidiger hatten nicht einen Entlastungszeugen beigebracht. Prozessbeobachtern zufolge ließ der Junge das anderthalb Wochen dauernde Verfahren regungslos und offensichtlich ohne Anteilnahme über sich ergehen.

In den USA geboren

Edgar Jiménez war am 2. Dezember 2010 am Flughafen der Millionenstadt Cuernavaca von Soldaten festgenommen worden, als er sich mit seiner älteren Schwester in die USA absetzen wollte. Er war im kalifornischen San Diego als Sohn mexikanischer Migranten geboren worden. Auf dem Handy des Kindes fanden die Militärs selbst gedrehte Videos mit Folterszenen. Der Junge gestand umgehend, seit seinem elften Lebensjahr auf der Lohnliste einer Drogenbande zu stehen. Er bekam umgerechnet 350 Euro im Monat.

Cuernavaca, eine Stunde südlich von Mexiko-Stadt gelegen, ist eine beliebte Sommerfrische der Hauptstadtbewohner. Ein lukrativer Markt für jede Art von Drogen. Dem Kampf zwischen den Kartellen um die Stadt fielen alleine 2010 mehr als 300 Menschen zum Opfer. Seit Präsident Felipe Calderín Ende 2006 den Kartellen den Krieg erklärt und Zehntausende von Polizisten und Soldaten in den Kampf geschickt hat, sind in Mexiko rund 40.000 Menschen getötet worden: Mafiosi, Sicherheitskräfte, Dealer und Pistoleros. Aber zunehmend geraten auch Unschuldige und Unbeteiligte zwischen die Fronten.

Täter und Opfer zugleich

Edgar Jiménez ist zwar Täter, aber auch Opfer. Der Vater unbekannt, die Mutter, selbst im Drogenmilieu, lässt die sieben Geschwister im Stich. Die Großmutter versucht, ihn in Mexiko großzuziehen, aber er bricht die Schule ab, bleibt Analphabet, treibt sich auf den Straßen herum. Ins Drogenmilieu sei er gerutscht, als er selbst von einem Kartell entführt und zum Morden gezwungen wurde, behauptet er.

Mehr als dreitausend Minderjährige sitzen nach Justizangaben in Mexikos Gefängnissen, weil sie für die Kartelle morden, foltern, Drogen anbauen oder als Kuriere arbeiten. Sonst ist aber kaum etwas bekannt über Kinder und Jugendliche, die sich dem organisierten Verbrechen anschließen. Oft ist der Narco-Nachwuchs auf der Suche nach Anerkennung, Nervenkitzel, Geld - und im Fall von Edgar Jiménez vielleicht auch nach Heimatgefühl. Wenn er 17 Jahre alt ist, wird er wieder frei sein. Dann kann er sein Leben neu beginnen. Oder dort weitermachen, wo er aufgehört hat.