Mit ihrem Megastreik führt die GDL der Gewerkschaftsbewegung großen Schaden zu. Aber auch die Bahnführung wird ihrer Verantwortung nicht gerecht. Es dominiert die Unfähigkeit zum Konsens, meint StZ-Redakteur Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Gerade jetzt, da die Lokführergewerkschaft mit ihrem Megastreik besonders wütende Reaktionen auslöst, da Maß und Mitte im Tarifkonflikt bei der Bahn verloren gehen, gilt es, Ruhe und Übersicht zu bewahren. So ist es an der Zeit, auch mal ein Wort des Verständnisses für die derzeit unbeliebteste Organisation der Republik einzulegen: In welchem Gesetz steht geschrieben, dass die GDL nicht eigenständige Tarifverträge für Zugbegleitpersonal abschließen darf? Natürlich darf sie das, wenn sie diese durchsetzen kann.

 

Genau deswegen wird der Streit mit solch harten Bandagen geführt: weil er so grundsätzlich angelegt ist. Sowohl die GDL als auch die Arbeitgeber erheben den Punkt ihrer Tarifmacht zur Frage des Prinzips – zu einer Frage von Sieg und Niederlage. Die Bahn will konkurrierende Tarifverträge mit zwei Gewerkschaften partout vermeiden, während die GDL die Ausweitung ihrer Befugnisse als existenzielle Notwendigkeit sieht und sich als letzter großer Verfechter von Tarifpluralität hinstellt. Beide Seiten wollen sozusagen die Mutter aller Schlachten austragen. Welch ein Irrweg! Ohne Kompromisse geht es nicht, wenn dieser Arbeitskampf keinen Totalschaden für die Tarifautonomie anrichten soll.

Die Streikfront hält bisher

Der Höhepunkt der Zuspitzung scheint mit dem aktuellen Rekordausstand noch nicht erreicht zu sein. Die GDL lässt sich von all der Schelte der Politik, der Medien und etlicher Gewerkschaften nicht beirren. Stattdessen stehen die Streikenden unter dem öffentlichen Druck noch enger zusammen. Es kommt das Gefühl auf: Wir gegen den Rest der Welt – eine gefährliche Entwicklung. Auch die Rufschädigung, die der einst angesehene Berufsstand erfährt, stört die Lokführer nicht so sehr, dass sie aus der internen Solidarität ausbrechen mögen.

Allerdings agieren die GDL und ihr Chef Claus Weselsky nicht so isoliert, wie es den Anschein hat. Sie sind vielmehr eingebunden in einen Dachverband, der die Streiks sogar mitfinanziert. Der Deutsche Beamtenbund gewährt den Berufsgewerkschaften nachvollziehbar einen starken Rückhalt im politischen Kampf gegen einen Gesetzentwurf zur Tarifeinheit im Betrieb. Schließlich geht es bei den dort tangierten Streikregeln um verfassungsmäßig abgesicherte Freiheitsrechte, die von der großen Koalition beschnitten werden könnten.