Der SWR hat einen Nachfolger für das „Nachtcafé“ gefunden: Vom nächsten Jahr an wird Michael Steinbrecher die traditionsreiche Sendung aus dem Ludwigsburger Schloss Favorite präsentieren.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Der SWR ist doch tatsächlich für Überraschungen gut – und noch dazu für positive: Mittels einfacher Einladung zu einer Pressekonferenz am kommenden Freitag wurde am Montag publik, dass der Sender einen neuen Moderator für sein „Nachtcafé“ am späten Freitagabend gefunden hat: Vom 9. Januar an wird Michael Steinbrecher die erfolgreiche Talkshow präsentieren. Und damit hat der SWR-Fernsehdirektor Christoph Hauser zweifellos einen überzeugenden Nachfolger für Wieland Backes gefunden, der nach 27 Jahren auf eigenen Wunsch am 19. Dezember zum letzten Mal der Gastgeber dieser Gesprächsrunde sein wird.

 

Der 48-jährige Michael Steinbrecher, ein gebürtiger Dortmunder, gehört seit Jahr und Tag zu den angesehensten Fernsehjournalisten. Die meisten Zuschauer dürfte er als langjähriger Moderator des „Aktuellen Sportstudios“ im ZDF gehabt haben. Just diese Sendung hat er über 21 Jahre lang auch deshalb so souverän mitprägen können, weil er Sportjournalismus stets auch als eine besondere Form der Gesellschaftsreportage verstand. Und so hat seine berufliche Laufbahn überhaupt begonnen: Im Alter von 22 Jahren bewarb sich der junge Journalistikstudent einfach mal als Moderator beim Zweiten in Mainz. Und bekam 1987 tatsächlich die Chance, im Nischenprogramm 3Sat eine Jugendsendung mit dem Namen „Doppelpunkt“ zu moderieren.

Verjüngung ohne Niveauverlust

Die Moderation gelang so gut, dass die Verantwortlichen das ungewöhnliche Talent entdeckten und Steinbrecher – damals noch mit stark verlockter Mopp-Frisur und vor der Kamera vorwiegend im Pullover – mit dem Magazin tatsächlich ins Hauptprogramm wechselte. Seine persönliche Leidenschaft für den Fußball brachte ihn in Kontakt mit der Sportredaktion: 1992 begrüßte er erstmals im „Sportstudio“. Parallel arbeitete er aber auch für das Politmagazin „Frontal“, den Sendeplatz „ZDF Reportage“, kommentierte Sport-Großereignisse wie die Olympischen Spiele und brachte schließlich die stilbildenden Sozialporträts der Filmreihe „37 Grad plus“ mit auf den Weg. Ach ja, und er gewann für all das Journalistenpreise, vom Grimmepreis über den „Sportjournalisten des Jahres“ und den Telestar bis zum Civis-Preis und dem Journalistenpreis der Aids-Stiftung.

Die Steinbrecher-Personalie ist für das SWR-Fernsehen in doppelter Hinsicht ein Coup: Erstens gelingt es, ein Versprechen zu halten, was eigentlich als uneinlösbar galt – nämlich einen Nachfolger für Wieland Backes zu finden, der einerseits die Sendung deutlich verjüngt und so auch für neue Zuschauer interessant macht, andererseits aber das Niveau garantiert, das Backes unverdrossen vorgibt. Und zweitens gewinnt der zweitgrößte ARD-Sender mit Steinbrecher eine Fernsehpersönlichkeit, die das Profil des quotentechnisch weiterhin kränkelnden SWR-Programms bedeutend stärken kann. Michael Steinbrecher steht für einen Journalismus, der mit Ruhe und Kompetenz Themen auch für ein großes Fernsehpublikum aufbereiten will. Popularität ist kein Schimpfwort für ihn, wohl aber Populismus. Das könnte auch dem „Nachtcafé“ neuen Schwung geben.

Seinen Grimmepreis errang Steinbrecher übrigens schon 1988 – mithin im zarten Journalistenalter von 23 Jahren. Er hatte damals eine Spezialsendung des ZDF-Jugendmagazin „Doppelpunkt“ gestaltet zum Thema „Mein Sohn ist schwul“. Das mag heutzutage ja ein Thema für jede x-beliebige Talkshow sein. Damals war das wegweisend und zeugte vom Mut aller Verantwortlichen. Und ein bisschen mehr Mut kann auch dem SWR sicher nicht schaden.