Die Europäische Union sendet mit ihrem Sanktionsbeschluss ein starkes Signal an Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Bezeichnend ist, wie es zu dieser Entscheidung kam, kommentiert Christopher Ziedler.

Brüssel - Peter Tempel ist in Brüssel eine große Nummer, daheim in Deutschland dürfte sein Name den wenigsten etwas sagen. Er vertritt als EU-Botschafter die Position der Bundesregierung, wenn Europa Entscheidungen trifft. Insofern gehört die Verhängung von Wirtschaftssanktionen zu seinem normalen Arbeitsgebiet. Ungewöhnlich ist dennoch, dass der Spitzenbeamte nun zusammen mit seinen Kollegen eine derart weitreichende Entscheidung getroffen hat. Hatten die Staats- und Regierungschefs nicht auf mehreren Krisengipfeln zur Lage in der Ukraine stets betont, dass sie sich selbst eine solche Eskalation vorbehalten würden, um sie dann nur noch formal beschließen zu lassen?

 

Das Zustandekommen des Sanktionsbeschlusses gegen Russland ist bezeichnend für die EU-Außenpolitik. Immer wieder hatten sich Merkel, Hollande, Cameron oder der Pole Tusk öffentlich widersprochen oder zumindest unterschiedliche Akzente dabei gesetzt, wie die Gemeinschaft auf das unkooperative Verhalten des russischen Präsidenten Wladimir Putin reagieren solle. Erst wehrte die Kanzlerin forsche Forderungen speziell aus Osteuropa ab und schwor die Chefrunde auf eine abwartende Strategie ein. Später, als sie einsehen musste, dass sie in persönlichen Vermittlungsgesprächen von Putin zwar viele Versprechen gehört hatte, der diese aber selten einhielt, stritten sich die Europäer über die Art der Sanktionen.

Ein EU-Gipfel hätte die Widersprüche offengelegt

Frankreich wollte starke Finanzsanktionen, die vor allem den Briten schaden. London keilte gegen die Pariser Rüstungsgeschäfte mit Moskau und forderte ein hartes Waffenembargo. In den vergangenen Tagen reifte daher die Erkenntnis, dass es vielleicht ganz hilfreich sein könnte, keinen Sondergipfel abzuhalten, dessen Unstimmigkeiten medial aufbereitet und verstärkt werden. Stattdessen also die Botschafter im Hinterzimmer.

Der Sanktionsbeschluss kommt spät, aber er ist richtig. Die EU hat keine andere Möglichkeit mehr, als Putin über eine Schwächung der russischen Wirtschaft zur Aufgabe seiner Blockadehaltung zu zwingen. Er soll nicht mehr seine schützende Hand über die Separatisten in der Ukraine halten, die zuletzt mit dem vermuteten Abschuss der Passagiermaschine eine Grenze überschritten zu haben scheinen.

Putin wurde falsch eingeschätzt

Hat die EU also alles richtig gemacht? Mitnichten! Am Anfang des Konflikts stand eine grundfalsche Einschätzung der russischen Interessenlage in der Ukraine. Zugleich beließen es Merkel & Co. allzu oft bei floskelhaften Ermahnungen an die Kiewer Regierung, deren Vorgehen ebenfalls alles andere als unumstritten ist – wenn auch lange nicht so bestialisch wie von der russischen Propaganda behauptet. Echter politischer Druck auf die Ukraine jedenfalls fehlt. Riskant ist die Sanktionspolitik ohnehin, weil die Moskauer Gegenmaßnahmen nicht lange auf sich warten lassen dürften. Und auch ein Erfolg ist nicht garantiert. Der Iran wurde mit ökonomischen Strafmaßnahmen an den Verhandlungstisch zurückgeholt, Syrien nicht. Einzig: Eine bessere Alternative ist derzeit nicht in Sicht.