Wegen schwerer Nötigung und Bestechlichkeit hat das Amtsgericht einen 62-jährigen Mitarbeiter der Arbeitsagentur Stuttgart zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Er forderte von Kundinnen Sex als Gegenleistung für die Arbeitsstellen.

Stuttgart - Haltlos weinte die 44-Jährige in den Armen ihrer Freundin. Gerade hatte sie vor Gericht aussagen müssen, gegen ihren früheren Jobvermittler von der Arbeitsagentur Stuttgart. Sie wollte einen Job, doch der Mann forderte Sex als Gegenleistung – von ihr, und später von einer 55-jährigen Kundin. „Kein Kavaliersdelikt“, sagte die Richterin. Wegen schwerer Nötigung und Bestechlichkeit in jeweils zwei Fällen verurteilte das Amtsgericht den geständigen 62-Jährigen am Montag zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Zudem muss er 10 000 Euro an die Organisation „Frauen helfen Frauen“ zahlen.

 

Für Vermittlertätigkeit Sex gefordert

Zum ersten Zwischenfall kam es nach Überzeugung des Gerichts im Oktober 2012. Das Opfer hatte sich an ihren Jobvermittler gewandt, der seit mehr als 40 Jahren für die Arbeitsagentur tätig ist und den Ruf hatte, ein guter und fleißiger Mann zu sein. Sie hatte nicht das erste Mal mit ihm zu tun. Umso schockierter war sie, als er die Tür abschloss und plötzlich laut über Sex mit ihr fantasierte. Er begrapschte sie und wollte ihre Hand in seine Hose führen. Sie zog die Hand zurück, sagte, sie sei keine Prostituierte, und vertröstete ihn auf „ein anderes Mal“, um ihn loszuwerden. Der Arbeitsvermittler ließ sie gehen, rief aber mehrfach auf ihrem Handy an, bis sie die SIM-Karte wechselte.

Programm gegen Prostitution

Noch schlimmer erging es dem anderen Opfer rund ein Jahr später. Bei ihr entblößte er hinter ebenfalls verschlossener Tür sein Geschlechtsteil und forderte laut der Anklage, sie solle ihn oral befriedigen. Als sie sich weigerte, masturbierte er vor ihren Augen und begrapschte sie ebenfalls. Von beiden Frauen forderte er, sie sollten nicht über die Sache reden.

Mitarbeiter im Programm gegen Postitution

Besonders heikel war, dass der Angeklagte an der Nordbahnhofstraße nicht nur Kurzjobs vermittelte, sondern auch bei einem Programm mitarbeitete, dessen Ziel es war, Frauen aus der Prostitution zu holen. Beide Opfer nahmen an diesem Programm teil. „Es kann nicht sein, dass so eine Person sich dermaßen daneben benimmt“, sagte die Richterin Susanne Böckeler. Die Frauen seien immer noch gezeichnet und hätten gezittert, als sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor Gericht aussagten. Er habe sie erniedrigt.

Gericht: Keine sexuelle Nötigung

Dennoch entschied die Kammer nicht auf sexuelle Nötigung, sondern auf Nötigung in besonders schwerem Fall. Die Lage der Opfer sei nicht so hilflos gewesen, wie es für sexuelle Nötigung notwendig sei. Zwar habe der 62-Jährige die Tür abgeschlossen, doch der Schlüssel habe innen gesteckt und die Frauen hätten fliehen können. „Beide haben ehrlich gesagt, dass sie zu geschockt gewesen seien“, sagte die Richterin.

Täter zeigte Reue und entschuldigte sich

Für den Angeklagten sprach laut Gericht sein umfassendes Geständnis und seine Reue. Direkt zu Beginn sagte er: „Ich möchte mich entschuldigen bei den Frauen. Was ich gemacht habe, war ganz große Scheiße.“ Die Kammer hielt ihm auch zugute, dass sein Leben durch die Taten zerstört wurde. Die Sache machte an seinem Wohnort die Runde, die Ehe steht kurz vor dem Aus, und seine Arbeit ist er los. Ende des vergangenen Jahres wurde er fristlos entlassen.

Das Urteil ist bereits rechtskräftig, weil beide Parteien auf Rechtsmittel verzichtet haben. Während der Urteilsbegründung hatte eine Zuschauerin gerufen, sie sei auch eines seiner Opfer. Polizei und Staatsanwaltschaft konnten dies jedoch nicht bestätigen. Unklar blieb, wieso der 62-Jährige die Taten verübt hatte. Die Richterin sagte dazu: „Manchmal rutscht der Verstand irgendwo anders hin. Anders kann man sich das nicht erklären.“