Die französische Online-Zeitung „Mediapart“ ist kostenpflichtig – und ist dank ihres journalistischen Konzeptes trotzdem sehr erfolgreich.

Stuttgart - Beim Aufdecken von Skandalen sind sie schon lange Spitze. Aber jetzt marschieren die Macher von "Mediapart" auch noch auf einem Gebiet vorneweg, wo es ihnen Branchenkenner niemals zugetraut hatten. "Mediapart", eine 2008 gegründete französische kostenpflichtige Online-Zeitung, wird in diesem Jahr erstmals schwarze Zahlen schreiben. Und als wäre das nicht schon erstaunlich genug, ist der Vorstoß in die Gewinnzone ganz ohne Werbeeinnahmen gelungen. Das Blatt finanziert sich allein durch Abonnements. 52.000 Abonnenten zahlen zurzeit neun Euro im Monat oder neunzig Euro im Jahr.

 

Der wirtschaftliche Erfolg ist nicht zuletzt der Lohn knallharter journalistischer Recherche. Hat Christine Lagarde, Frankreichs mittlerweile an die Spitze des Internationalen Währungsfonds gerückte Wirtschafts- und Finanzministerin, bei der Entschädigung des Geschäftsmanns Bernard Tapie eine zwielichtige Rolle gespielt? Kann sich die Partei des gestürzten tunesischen Diktators Ben Ali in Frankreich bis heute auf ein Netz von Verbindungsleuten stützen? Die Online-Zeitung deckt Missstände auf, trägt Beweise zusammen.

Im vergangenen Jahr hatte sie den großen Coup gelandet. Sie veröffentlichte im Haus der Milliardärin Liliane Bettencourt aufgezeichnete Gespräche. Staatschef Nicolas Sarkozy und sein damaliger Arbeitsminister Eric Woerth gerieten in Verdacht, von Frankreichs reichster Frau illegale Parteispenden entgegengenommen zu haben. Woerth musste seinen Hut nehmen. Mehr als vier Millionen Aufrufe pro Monat verzeichnete die Internetzeitung damals. Ganz Frankreich sprach von ihr.

Kein Wunder, dass sie bei den Mächtigen im Lande unbeliebt, wenn nicht verhasst ist. Regierungspolitiker haben "Mediapart" mit Prozessen überzogen. Die Bekanntheit des Portals hat das nur noch erhöht. Eine kontinuierlich wachsende Zahl von Lesern weiß engagierte Recherche zu schätzen, zumal sie damit in den Medien nicht eben verwöhnt werden. Anders als angelsächsische oder auch deutsche Journalisten befleißigen sich die französischen Reporter gegenüber Spitzenpolitikern häufig höflicher Zurückhaltung.

Paid Content als Erfolgsrezept

Aber "Mediapart" geht nicht nur journalistisch eigene Wege, sondern auch wirtschaftlich. Als der langjährige "Le-Monde"-Redakteur und heutige "Mediapart"-Vorsitzende Edwy Plenel die Internetzeitung konzipierte, galt es als ungeschriebenes Gesetz, dass Online-Journalismus nichts kosten dürfe und allein durch Werbeeinnahmen zu finanzieren sei. Ein kollektives Streben nach hohen Klickzahlen und damit einhergehend ein Verlust an Seriosität und Qualität waren die Folge.

Plenel schlug den entgegengesetzten Weg ein. Anstatt eine flüchtige Klickgemeinde zu umwerben, versuchte er eine an tiefer schürfenden Beiträgen interessierte Leserschaft an sich zu binden, ihnen ein Forum zu bieten. Kein Papier, also auch keine Druck- und Vertriebskosten, keine Anzeigen und damit auch keine wirtschaftliche Abhängigkeit von Anzeigenkunden plus qualitativ hochwertiger Journalismus: das ist das Erfolgsrezept, das Plenel zusammen mit 26 fest angestellten Redakteuren umzusetzen versucht.

Wobei die personelle und finanzielle Ausstattung es nicht erlaubt, alles aufzugreifen, was Politik, Wirtschaft und Gesellschaft an spannenden Themen hervorbringen. Aber das will Plenel auch gar nicht. Er möchte eigene Schwerpunkte setzen, Hintergründe ausleuchten und vor allem Licht bringen in dunkle Angelegenheiten.