Rund 2000 Menschen sind am Freitag in Stuttgart gegen die israelischen Angriffe im Gazastreifen auf die Straße gegangen. Die Proteste verliefen in der Landeshauptstadt ruhig – wie auch bei weiteren Kundgebungen in anderen deutschen Städten.

Stuttgart - In ganz Deutschland haben am Freitag Tausende Menschen gegen die israelischen Angriffe auf die Palästinensergebiete demonstriert. „Gegen das Massaker in Gaza“ war die Veranstaltung in Stuttgart überschrieben. Die Organisatoren, mehrere palästinensische Gemeinschaften, das Palästinakomittee Stuttgart und der Arabische Kulturclub, hatten etwa 2500 Teilnehmer erwartet. Gekommen waren zwar ein paar Hundert weniger, die Polizei war dennoch mit einem Großaufgebot im Einsatz, hielt sich aber meist im Hintergrund.

 

Gegen 16.30 Uhr hatte sich die Menge auf dem Schlossplatz versammelt. Abgesehen von einem kurzen Tumult verlief schon der Beginn der Veranstaltung ruhig. Die Polizei musste eingreifen, als mehrere Demoteilnehmer auf eine Gruppe zugingen, die Israel-Flaggen schwenkten. Beharrlich wurde darauf hingewiesen, dass Parolen nur in deutscher Sprache skandiert werden sollten. Zu hören war der Ruf „Freiheit für Palästina“, aber auch „Kindermörder Israel“. Vereinzelt waren anti-israelische Karikaturen zu sehen, die juristisch am Rande der Volksverhetzung gewesen sein dürften. Gewalttätige Auseinandersetzungen gab es nicht.

Auch in anderen deutschen Großstädten waren am Freitag zahlreiche Menschen auf die Straße gegangen, um gegen das Vorgehen Israels im Gazastreifen zu protestieren. An der Demonstration in Berlin beteiligten sich rund 1200 Menschen. Doch die befürchteten antisemitischen Parolen waren nicht zu hören. Auch dort hatte die Polizei Auflagen erteilt: Das Töten oder Verletzen von Menschen dürfe nicht verherrlicht werden. Es durften keine Gegenstände verbrannt werden.

Verbände distanzieren sich von antisemitischen Parolen

Der israelische Botschafter in Deutschland, Yakov Hadas-Handelsman, verteidigte auf einer Gegenkundgebung in Berlin die Angriffe seines Landes auf den Gazastreifen. „Es ist unser Recht und unsere Pflicht, uns zu verteidigen gegen Provokationen.“

Mehrere islamische Verbände distanzierten sich derweil von judenfeindlichen Parolen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung mittels friedlicher Demonstrationen dürfe nicht missbraucht werden, um Antisemitismus zu predigen, teilte die Kurdische Gemeinde Deutschland mit. Die Generalsekretärin des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Nurhan Soykan, sagte im „Deutschlandradio Kultur“: „Wir haben uns immer davon distanziert, Juden im Allgemeinen anzugreifen und zu beleidigen. Aber es muss auch möglich sein, die israelische Politik, genauso wie die Politik anderer Länder, kritisieren zu dürfen.“

In Essen nahm die Polizei vier Männer mit Migrationshintergrund fest, die für eine Anschlagsdrohung gegen die als Kulturinstitut genutzte Alte Synagoge verantwortlich sein sollen. Sie wurden nach einer Vernehmung wieder freigelassen, sagte ein Polizeisprecher. Es gehe nun darum, die Ernsthaftigkeit ihrer bei Facebook veröffentlichten Drohung einzuschätzen.

Sprachbarriere ist ein Problem für die Polizei

Am Freitag wurde zudem ein Angriff auf einen jungen Mann mit Kippa bekannt. Der 18-Jährige wurde in Berlin Opfer eines möglicherweise antisemitischen Angriffs. Ein Fremder habe ihm nach Polizeiangaben am Donnerstag ins Gesicht geschlagen, anschließend zertrat der Angreifer die auf den Boden gefallene Brille des Opfers.

Am Rande der Demonstrationen, die am Dienstag und am vergangenen Samstag in Stuttgart veranstaltet worden waren, war es noch zu Rangeleien gekommen. Auch Kritik an der Polizei war laut geworden. Im Internet kursiert ein Bericht, wonach aus einem Polizeiwagen israelfeindliche Parolen gerufen worden seien. Die Polizei bestätigt, dass sie einen Vertreter der Veranstalter an den Lautsprecher gelassen habe. „Das haben wir schon bei anderen Demos gemacht. Wir haben jemanden den Lautsprecher benutzen lassen, weil er mit einer Durchsage zur Beruhigung beitragen sollte“, erläutert Polizeisprecher Stefan Keilbach. Ein Problem ergebe sich, wenn eine zweifelhafte Durchsage in einer anderen Sprache erfolge. „Wir werden das nicht mehr zulassen“, sagt Keilbach.

Ohnehin sei die Sprachbarriere ein Problem: „Wir müssen ja erst mal herausfinden, ob Straftaten vorliegen, etwa volksverhetzende Parolen gerufen werden oder auf Plakaten stehen.“ Unter anderem deswegen habe die Polizei eine Dolmetscherin engagiert. Zudem begleite ein Staatsanwalt die Demo, der Straftaten erkennen soll.

Pro-israelische Veranstaltung in Pforzheim

In den israelitischen Gemeinden beobachtet man das Demogeschehen aufmerksam vor dem Hintergrund von antisemitischen Parolen und vereinzelten Übergriffen. Lars Neuberger, der Vorstandsreferent der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs, weist in diesem Zusammenhang auf eine Veranstaltung der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg am 29. Juli, hin. In einer Diskussion würden dort der Konflikt, die Proteste und der Antisemitismus analysiert. Die Veranstalter haben beobachtet, dass sich in die Kritik an Israel antisemitische Parolen mischen.

Unterdessen werden auch in der Region erste pro-israelische Demonstrationen angekündigt. Am Freitag rief die Organisation „Herzen für Israel“ zur Kundgebung in Pforzheim auf. Laut einem Sprecher der Organisation waren rund 15 Menschen zusammengekommen, die Veranstaltung sei von der Bevölkerung aufmerksam und überwiegend wohlwollend verfolgt worden. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft Stuttgart und Mittlerer Neckar kündigte für Donnerstag, 31. Juli eine Versammlung an.