Neue Auflage des alten Streits: vor Gericht will der frühere Ministerpräsident Stefan Mappus eine Schadenersatzforderung gegen seine Rechtsberater im EnBW-Deal durchsetzen. Sie hätten ihn mangelhaft beraten. Doch die beklagte Kanzlei wehrt sich.

Stuttgart - Wie sinnig: das Absperrband zwischen den Verfahrensbeteiligten und den Prozessbeobachtern ist schwarz-gelb, in den Landesfarben gehalten. Man hatte beim Landgericht Stuttgart wohl mit einem erhöhten Aufkommen an Öffentlichkeit gerechnet, die dem Streit zwischen Stefan Mappus und seinen ehemaligen Rechtsberatern im EnBW-Deal von der Stuttgarter Anwaltskanzlei Gleiss Lutz beiwohnen wollte. Doch der Publikumsandrang hielt sich in Grenzen.

 

Einer Abtrennung voneinander hätte es eher zwischen den Kontrahenten bedurft. Denn der frühere Ministerpräsident des Landes und seine neuen Rechtsbeistände saßen nur mit wenig Abstand ihren Prozessgegnern gegenüber. Und es flogen die Fetzen. Beide Seiten bezichtigten sich, mit der Unwahrheit punkten zu wollen.

Die Vorgeschichte ist bekannt: Das Land hatte im Dezember 2010 von der EdF deren EnBW-Aktien gekauft. 4,7 Milliarden Euro zahlte es dafür. Einen Landtagsbeschluss für diese Großinvestition gab es nicht, nur einen Entscheid des Ministerrates. Dieser wiederum wurde kurzfristig erwirkt. Zuvor hatte der damalige Finanzminister Willi Stächele (CDU) auf Bitten von Mappus das in der Landesverfassung verankerte Notbewilligungsrecht bemüht. Es erlaubt dem Finanzminister, in zeitlicher Not Geld freizugeben, ohne dass der Landtag gefragt wird.

Kein Sterbenswörtchen

Der Staatsgerichtshof hat diese Vorgehensweise im Oktober 2011 als verfassungswidrig verurteilt. Daraufhin nahm sich der Landesrechnungshof des Geschäftes an. Im Juni 2012 stellte er fest, dass der Handel mit der EdF nicht sorgfältig genug vorbereitet worden sei. Als Folge davon nahm die Staatsanwaltschaft Stuttgart Ermittlungen gegen Mappus, Stächele, den damaligen Staatsminister Helmut Rau (CDU) sowie Mappus’ unternehmerischen Berater und Freund Dirk Notheis wegen Untreue zum Schaden des Landes auf.

Alles wäre anders gekommen, hätten ihn seine damaligen juristischen Berater nicht mangelhaft vorbereitet, sagt Mappus. So auch am Dienstag vor dem Landgericht. „Kein Sterbenswörtchen“ über rechtliche Risiken habe Martin Schockenhoff verloren. Das war, als der mit der Sache in der Kanzlei Gleiss Lutz betraute Anwalt Willi Stächele erklärte, warum dieser die Notbewilligung unterzeichnen solle. Anderntags stand der Kabinettsentscheid an, danach sei die CDU-Fraktion informiert worden. In beiden Gremien hätte es besorgte Fragen von „promovierten Juristen“ gegeben, ob das Verfahren wirklich einwandfrei sei. Schockenhoff habe „die Existenz von Risiken ausdrücklich in Abrede gestellt“, sagte Mappus. Für ihn sei das die Grundlage für seine Schadenersatzforderung. Denn hätte Schockenhoff Zweifel über solche Risiken stehen lassen, „wäre ich mit der Sache nicht ins Kabinett gegangen“, so Mappus.

Finanzminister nicht im Boot

Schockenhoff, Fachanwalt für Gesellschaftsrecht, zeigte sich indes „irritiert darüber, wie das hier aufgezogen wird“. Wenn behauptet werde, bei der Unterredung mit dem Finanzminister etwa „hätte es intensive Nachfragen gegeben, dann ist das alles unwahr“. Explizit die Möglichkeit von Risiken ausschließen würde er grundsätzlich nie. „Sowas mache ich überhaupt nicht“, sagte Schockenhoff.

Ohnehin sei sein Ansprechpartner bei diesem Fall stets Dirk Notheis gewesen. Der habe veranlasst, dass „die gesamte Korrespondenz“ über ihn laufe. Notheis müsse „völlig klar gewesen sein, dass es keine hundertprozentige Risikofreiheit gab“, sagte Schockenhoff; spätestens als die EdF erklärte, dass sie das Geschäft nicht unter einen Parlamentsvorbehalt gestellt sehen wollte. „Da ist der Herr Notheis ganz schön eindringlich geworden.“ Als der Weg über die Notbewilligung konkreter wurde, habe er, Schockenhoff, angemahnt, den Finanzminister endlich ins Boot zu holen. Das sei aber nicht passiert.

Taktischer Prozess

Für Schockenhoffs Anwalt Uwe Hornung ist klar: „Das Zivilverfahren ist ein Annex für das Strafverfahren.“ Die Feststellung eines Zivilgerichtes, Gleiss-Lutz habe fehlerhaft gehandelt, wäre ein gutes Argument in der Strafsache gegen Mappus. Ein solches Schuldeingeständnis komme aber nicht in Frage, daher auch kein Vergleich. Vielmehr beantragte Hornung, das Verfahren auszusetzen, bis das Strafverfahren abgeschlossen ist. Hilfsweise solle der Gleiss-Lutz-Seite Einblick in die Akten der Strafermittler gewährt werden.

Mappus-Anwalt Franz Enderle wies das zurück: „Als Politiker wird man nicht wirklich reich.“ Mappus sei „finanziell stark belastet durch Dinge, die auf den Abschluss dieses Kaufvertrages zurückzuführen sind“. Er will Geld. Wie viel, ist noch offen. Das stehe erst am Ende der Geschichte fest.

Das könnte bald sein. Am 20. Januar will die Vorsitzende Richterin Dorothea Grämmer die gerichtliche Würdigung der Argumente verkünden.