Politische Einflussnahme auf die Justiz – darum ging es jüngst im Landtag. Der Faktencheck ergab: die dick aufgetragenen Vorwürfe sind unbewiesen oder lange her.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es war die letzte Landtagssitzung vor der Sommerpause und die letzte Debatte vor dem am Abend geplanten Sommerfest. Noch einmal lieferten sich die schon ziemlich ermatteten Abgeordneten im Plenum eine hitzige Redeschlacht. Es ging, auf Antrag der CDU, um die angebliche Einflussnahme von Grünen auf die Justiz in Baden-Württemberg – genauer: auf Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Stuttgart 21 und auf die Neubesetzung der Position des Stuttgarter Generalstaatsanwaltes. Bereits vor gut einem Jahr hatte Staatsministerin Silke Krebs (Grüne) die Vorwürfe in Antworten auf CDU-Anfragen zurückgewiesen. Doch der Christdemokrat Reinhard Löffler und seine Fraktion wollten sie noch einmal diskutiert sehen.

 

Die Reihen der Zuschauer und Journalisten im Plenum hatten sich an diesem Nachmittag schon stark gelichtet. So beharkten sich Regierung und Opposition weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit, aber nicht minder heftig. Zu erleben war eine Debatte über eine sensible Thematik, in der die Angreifer verbal ganz dick auftrugen und die Verteidiger ihnen kaum nachstanden. Zu erleben waren insbesondere zwei Justizminister – ein ehemaliger und ein amtierender –, die den Eindruck erweckten, sie wüssten jeweils von einem weiteren gravierenden Fall von Einflussnahme auf die Justiz, es aber bei Andeutungen beließen. Doch bei einem Faktencheck bleibt davon wenig übrig.

Die Regierung als „Räuberbande“

Der Reihe nach. Auslöser der Debatte war, dass sich Abgeordnete oder Regierende der Grünen für Verfahren der Staatsanwaltschaft Stuttgart rund um Stuttgart 21 interessiert hatten – geführt von der Abteilung des einst umstrittenen, nun pensionierten Oberstaatsanwalts Bernhard Häußler – und für den designierten Generalstaatsanwalt Achim Brauneisen, einen bekennenden Befürworter des Bahnprojekts. Für den CDU-Mann Löffler war das ein Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz: Kretschmanns Grüne drohten „zur Abrissbirne der dritten Gewalt“ zu werden, der Staat unter seiner Führung zu einer „Räuberbande“. Löfflers früheres Diktum von der „Bananenrepublik“ treffe es ganz gut, sekundierte Ex-Justizminister Ulrich Goll (FDP). Grün-Rot mangele es an Respekt vor der Unabhängigkeit der Justiz, die Einflussnahmen seien „ein Missbrauch der Ihnen anvertrauten Institutionen“.

„Es gab und gibt keine Einflussnahme“, erwiderte der Grünen-Rechtsexperte Jürgen Filius, weder auf Stellenbesetzungen in der Justiz noch auf deren inhaltliche Arbeit. Weil der Opposition nichts Konzeptionelles einfalle, betreibe sie „billiges Grünen-Bashing“ und wärme längst Geklärtes wieder auf. Die versuchte „Skandalisierung“ überzeuge nicht einmal Löfflers eigene Fraktion, spottete der SPD-Abgeordnete Sascha Binder. Für die Genossen seien bei dem Thema „keine Fragen offen“ geblieben, der Justizminister habe sich „überhaupt nichts vorzuwerfen“.

„Sie sollten ganz, ganz vorsichtig sein“

Selbiger, Rainer Stickelberger, spottete seinerseits über die leeren Reihen bei der CDU und einen Kollegen, der sogar eingeschlafen sei. Sodann drehte er den Spieß um und sprach seinen Vorgänger Goll direkt an: Im Schriftverkehr des Ministeriums habe sich Korrespondenz gefunden, „wo Sie einen Abgeordnetenkollegen auch darauf hinweisen mussten, dass Sie seiner Bitte um politische Einflussnahme auf Ermittlungsverfahren nicht nachkommen können“. Nähere Angaben verbiete ihm der Datenschutz. Aber angesichts dieses Falles, mahnte Stickelberger, „sollten Sie ganz, ganz vorsichtig sein mit Ihrem Bogen an Behauptungen, Unterstellungen und Verdrehungen“. Auch bei der Nachbesetzung der Stelle eines Oberstaatsanwaltes – gemeint war offenkundig Häußler – habe es keine Einflussnahme gegeben.

Genau das hatte Ulrich Goll zuvor behauptet. Bisher nicht thematisiert, aber „auch belegbar“ sei die Mauschelei bei der Häußler-Nachfolge: „Nachweislich“ sei da Einfluss genommen worden, „weil man einen Staatsanwalt wollte, der vielleicht ein bisschen anders zu S 21 steht“. Neue Chefin der „politischen“ Abteilung wurde bekanntlich die Oberstaatsanwältin Christiane Arndt, unter der es sehr viel ruhiger um die Ermittler geworden ist.

Beweise? Fehlanzeige

Wo denn Belege und Nachweise seien? Auf eine entsprechende StZ-Anfrage teilte Goll mit, über seinen Debattenbeitrag hinaus könne er dazu nicht viel sagen. Der ziemlich gravierende Vorwurf blieb somit unbewiesen. Sein Nachfolger Stickelberger präzisierte auf Nachfrage immerhin ein wenig, was er im Plenum gemeint hatte: Es gehe um ein fünf Jahre zurückliegendes, „politisch nicht bedeutsames“ Ermittlungsverfahren gegen unbekannt, im Zusammenhang mit der Androhung einer Straftat, ließ er seinen Sprecher mitteilen. „Die versuchte Einflussnahme ging dahin, dass die Ermittlungen wieder aufgenommen werden sollten.“ Das klingt auch nicht gerade nach einem Skandal, vor dem CDU und FDP erzittern müssten.

Nicht nur für den Landtag, auch für die Justiz ist es wohl gut, dass bald die politische Sommerpause anbricht.