An diesem Wochenende hätte das Stuttgart Festival zum zweiten Mal stattfinden sollen. Doch die Veranstaltung fiel aus, stattdessen spielte Bilderbuch am Freitagabend für einen Trostpreis im Wizemann. Ohne Freiluft-Atmosphäre, aber mit aufgedrehtem Indie-Punk, der das verpasste Festival fast vergessen lässt.

Stuttgart - Irgendwann kommt zumindest ein bisschen Festivalstimmung auf. Während drinnen, im dunklen, nur von Scheinwerferlicht und Nebeldunst erhellten Konzertsaal gerade noch Bilderbuchs Freunde Musik machen, sitzen im Saal nebenan junge Leute auf aufgestapelten Palletten, stehen für Falafel Schlange, spielen Rundlauf an zwei Tischtennisplatten. Und sitzen draußen, mit einem Bier in der Hand und dicht gedrängt, vor der Halle.

 

Knapp zwei Stunden vor dem Bilderbuch-Auftritt scheint über dem Wizemann-Areal in Stuttgart noch die Sonne. Eigentlich hätte die Band aus Wien an diesem Abend beim Stuttgart Festival auf dem Messegelände auftreten sollen – doch die Veranstaltung wurde abgesagt, wegen schleppender Ticketverkäufe. Es wäre ein Stuttgart-Festival ohne Gewitter und Windsturm geworden, an diesem letzten Juliwochenende, mit Django Django, Christal Figthers, Frittenbude und, ja, mit Bilderbuch. Die spielen nun an diesem Freitag – ohne Gage, heißt es – für neun Euro plus Gebühren trotzdem in Stuttgart.

Zu wenig Werbung für das Festival?

„Ich ärgere mich schon noch über die bezahlten Festivaltickets“, sagt Andreas. 75 Euro, die nicht erstattet werden, ein vergünstigtes Bilderbuch-Konzert und die vage Aussicht, dass das Stuttgart Festival vielleicht im kommenden Jahr wieder aufgenommen wird – und die Tickets von 2016 dann gelten. Andreas, 27, sitzt mit ein paar Leuten vor der Konzerthalle auf dem gepflasterten Boden. Das Stuttgart Festival sei gut gewesen, im letzten Jahr, und eigentlich wichtig für die Stadt. Gute Bands, gute Stimmung, eine gute Organisation, gute Kommunikation nach der Absage des Festivals in diesem Jahr, findet er. Vielleicht hält sich sein Frust deshalb in Grenzen.

Das Festival wurde erst 2015 gegründet – und musste im ersten Jahr gleich schwere Unwetter hinnehmen. Eine Bandaufritte mussten deshalb ausfallen, doch die Stimmung blieb gut. Verfolgt man die Reaktionen in den sozialen Netzwerken, kam das Aus des Festivals in diesem Jahr daher für viele Musikfans überraschend. Als die Veranstalter an einem Mittwoch Ende Juni das Festival für dieses Jahr absagten, meldeten sie zeitgleich Insolvenz an. „Wir sind bestürzt, dass trotz der positiven Resonanz die Ticketvorverkäufe weniger als die Hälfte des letzten Jahres betragen“, schrieben die Veranstalter damals auf ihrer Facebook-Seite. „Ist es die erneute Angst vor Wind und Wetter? Lag es am Gesamtkonzept, dem Ticketpreis, der Location oder am diesjährigen Line-Up? Oder braucht Stuttgart gar kein Festival dieser Art?“

„Wir hoffen auf das nächste Jahr“

Woran es lag weiß auch hier, im Wizemann, keiner so recht. „Vielleicht haben die Veranstalter zu wenig Werbung gemacht“, sagt Andreas. Schließlich sei das Konzept ja neu gewesen, vielen Stuttgartern sei das Festival bis heute kein Begriff. Und in den Monaten vor der Absage habe er nur wenig Werbung gesehen, nur wenig über die Veranstaltung gehört. „Vielleicht waren die Bands zu unbekannt“, sagt Tina neben ihm. Schließlich sei – bis auf die Headlinder – die Mehrzahl der gut 60 Bands tatsächlich den wenigsten ein Begriff. Ähnlich klingen auch die Reaktionen auf der Facebook-Seite des Stuttgart Festivals.

Nun also Bilderbuch im Wizemann, Industriehallen-Charme statt Open-Air-Stimmung am Stuttgarter Messegelände, statt Hängematten, Burrito-Ständen und einem bunten Musikmix auf mehreren Bühnen. „Wir feiern statt dem Stuttgart Festival“, ruft Leadsänger Maurice Ernst nun ins Mikrofon. Die Stimmung ist gut, um kurz nach neun ist die große Konzerthalle fast voll. Gut 500 Leute drängen sich in dem dunstigen, heißen Saal, feiern, tanzen, hüpfen knapp eineinhalb Stunden zu einer aufgedrehten Mischung aus Indie, Punk und Hip-Hop. Und irgendwo zwischen „Feinste Seide“, „Softdrink“ oder „Gigolo“ vielleicht verschwindet auch der Gedanke an das verpasste Stuttgart Festival, lässt den Ärger vergessen, zumindest ein bisschen. „Wir hoffen auf das nächste Jahr“, sagt Andreas.