Tatort-Kommissar Borowski feiert sein zehnjähriges Jubiläum. Und dennoch stiehlt eine Altenpflegerin den Kieler Ermittlern in „Borowski und der Engel“ die Show. Das ist gut so.

Stuttgart - Sie ist nicht mehr die gesichtslose Altenpflegerin im weißen Kittel, der niemand dankt. Sabrina Dobisch (Lavinia Wilson) wird zu einem Jemand, nachdem sie heldenhaft versucht hat, zwei Opfern eines Verkehrsunfalls das Leben zu retten. Die Medien stilisieren die Frau zur Heldin. Die Nachbarn reden wieder mit ihr.

 

Der Preis für dieses wohlige Gefühl der Anerkennung sind am Ende des Tatorts drei Tote und ein beachtliches Lügenkonstrukt, dem Kommissar Borowski seinerseits allein mit einer Lüge beikommen kann. Denn den Unfall, das Bühnenbild ihres Auftritts, hat Sabrina selbst provoziert. Der Kieler Tatort „Borowski und der Engel“ lässt den Zuschauer schwanken zwischen Empathie für eine Altenpflegerin mit nachvollziehbarer Sehnsucht nach Wertschätzung und Abscheu vor einer von Selbstsucht geprägten, rücksichtslosen Lügnerin.

Sabrina Dobisch ist der einsame Star dieses Tatorts. Die Kieler Kommissare Klaus Borowski und Sarah Brandt mit ihren Befindlichkeiten rücken in den Hintergrund. Und das ist eine Wohltat. Umso beachtlicher, als Borowski in diesem Jahr sein Zehnjähriges feiert. Es wäre eine Steilvorlage gewesen, den Kommissar hier brillieren zu lassen. Aber es ist gut, dass der Drehbuchautor Sascha Arango und der Regisseur Andreas Kleinert die Tatort-Fangemeinde daran erinnern, dass nicht allein ulkige Kommissare einen guten Krimi ausmachen. Täter, Opfer, Verdächtige – besonders wenn sie so überzeugend gespielt werden wie Sabrina Dobisch von Lavinia Wilson – sollten viel öfter das Rüstzeug bekommen, den Herren Kommissaren die Schau zu stehlen. Einziger Wermutstropfen: auch wenn sich die Geschichte diesmal fast 90 Minuten lang nur um die Täterin drehte, weiß der Zuschauer nicht viel über sie. Für ihn bleibt sie gesichtslos.