Fritz Kuhn hat ein geniales Verkehrskonzept entwickelt. Jetzt muss man es nur noch verstehen, schreibt StZ-Kolumnist Erik Raidt nach einer Analyse des jüngsten Thesenpapiers des Großen Vorsitzenden.

Stuttgart - Im Stuttgarter Rathaus arbeiten Sprachforscher und Übersetzer in diesen Tagen fieberhaft daran, die genialen Ideen des großen Vorsitzenden Fritz Kuhn so aufzubereiten, dass sie vom Volk auch verstanden werden. Einigen Linguisten ist es nun gelungen, eine wichtige Passage aus Kuhns jüngstem Thesenpapier auf ihren Gehalt hin zu untersuchen. Kuhn sagte im O-Ton, er wolle „Anreize schaffen, den konventionell motorisierten Individualverkehr deutlich zu reduzieren“.

 

Nach mehreren Nachtschichten ist klar geworden, was uns Fritz Kuhn eigentlich sagen will: Es sollen künftig weniger Autos durch den Kessel rollen. Kuhn will mehr Menschen motivieren, öfter Bus, Bahn und Rad zu fahren.

Im Tümpel gärt es gewaltig

Stimmt, das ist viel zu banal formuliert für große Politik, die Publicity braucht: Erst wenn sich aus einem gärenden Tümpel eine fette Blase nach oben wölbt, erkennt das Publikum, dass sich im Tümpel Tolles tut. Im Rathaus blubbert es gewaltig. Um es mit Fritz Kuhn zu sagen: Stuttgart soll zu einem „Innovationslabor für vernetzte Mobilitätskonzepte von morgen“ werden.

Klingt verdammt cool, Fritz Coon.

Nichts turnt Kommunalpolitiker in dieser Stadt mehr an, als der Verkehr. Bei Wolfgang „The International“ Schuster musste es gleich ein „World Mobility Forum“ sein, Fritz Kuhn will nun im Herbst große Unternehmen zu einem Mobilitätskongress einladen.

Zwei verfeindete Dreijährige im Bobbycar

Bis dahin wird es noch eine ganze Menge verbalen Individualverkehr zu diesem Thema geben, so viel ist sicher. Fritz Kuhn hat einen Lenkungskreis gegründet, der im Rathaus die Sache vorantreiben soll. In Mobilitätsfragen bewegt sich in Stuttgart nichts mehr ohne Lenkungskreise.

Bei Lenkungskreisen handelt es sich um hybride Geschöpfe aus der modernen Arbeitswelt: Sie sind eine Kreuzung aus dem altbackenen Arbeitskreis und dem angestaubten runden Tisch. Das Konzept hat sich bei Stuttgart 21 glänzend bewährt – die Teilnehmer des Lenkungskreises treffen sich so selten, wie es nur irgendwie geht, und wenn sie sich begegnen, steuern Bahn, Stadt und Land grundsätzlich in entgegengesetzte Richtungen. Das läuft in vollendeter Harmonie, man muss sich nur zwei miteinander verfeindete Dreijährige vorstellen, die sich um den Fahrersitz eines Bobbycars in die Haare bekommen.

Auf diese Weise ist Stuttgart 21 bereits sanft auf Tempo 40 herabgebremst worden. Das ist exakt jene Geschwindigkeit, die Fritz Kuhn in der Stadt auch auf „Steigungsstrecken im Kampf gegen die hohen Schadstoffwerte“ einsetzt. Kuhn möchte Stuttgart entschleunigen. Mit dem Lenkungskreis befindet er sich dabei auf einem sehr guten Weg.

Beste Grüße, Erik Raidt