Er ist Schraubenhändler und Kunstsammler, es zieht ihn in die Welt und doch ist er heimatverbunden – am Montag feiert Reinhold Würth seinen Geburtstag.

Stuttgart - Reinhold Würth kann die Arbeit nicht lassen. Zwei Monate war er zuletzt im Ferienparadies Karibik, erzählt er in kleinem Kreis. Und was hat der Hohenloher Schraubenkönig, der am Montag 80 Jahre alt wird, dort getan? „Ich habe mindestens drei bis vier Stunden pro Tag gearbeitet“. Er habe Briefe diktiert, die sein Sekretariat im fernen Künzelsau dann in Form gebracht habe. Er hätte die Briefe auch selbst auf dem Laptop schreiben können, räumt der putzmuntere Jubilar ein, der sich selbst als „Anhänger des Schriftlichen“ sieht. Doch seine Sekretärin nummeriere die Korrespondenz minutiös durch: 150 000 Briefe waren es in den vergangenen 20 Jahren. So lückenlos ordentlich sei er nicht.

 

Fast wäre neulich noch ein Brandbrief hinzugekommen. Er sei mit seiner Frau im Restaurant gewesen und habe dort zufällig eine Gruppe von Würth-Mitarbeitern aus Italien getroffen, erzählt der Unternehmer. Aus der Konzernzentrale sei jedoch niemand dabei gewesen. Seinem Ärger über die fehlende Betreuung ließ Würth sogleich in einem Brief freien Lauf. Doch bevor seine Sekretärin diesen verschicken konnte, hat er sie zurückgepfiffen. Es wäre nicht sein erster Brandbrief gewesen. Würth ist für deutliche Worte bekannt. Seinen Außendienstlern hat er schon des öfteren die Leviten gelesen. Wer nicht um 7.30 Uhr beim beim Kunden erscheine, habe „120 Verkaufsminuten sinn- und nutzlos verplempert“, schrieb er etwa vor zweieinhalb Jahren – und drohte gar mit Trennung, wenn einer „nicht mehr als die eigenen Kosten“ verdiene.

Reinhold Würth übernahm mit 19 Verantwoortung

2004 hat er Außendienstlern sogar die Laptops weggenommen, damit sie sich Auge in Auge mit den Kunden unterhalten und nicht nur auf den Bildschirm schauen, sagte der Jubilar damals im StZ-Interview. Würth heute: Er schlafe schlecht, wenn er jemanden zu forsch behandelt habe und es erst am Tag danach klarstellen könne. Und: „Ich gehe einmal im Monat in die Kirche, damit mir die Sünden verziehen werden“. Aber im gleichen Atemzug sagt er auch: „Man muss doch seine Meinung sagen dürfen“. Auch über Kleinigkeiten kann er sich richtig ärgern – wenn etwa innerhalb eines Tages das Desinfektionsmittel auf der Toilette nicht nachgefüllt wurde.

Ambitioniert, einfallsreich, weitblickend, leistungsorientiert – mit diesen Eigenschaften lässt sich Reinhold Würth gerne in Verbindung bringen. Er ist umtriebig und war es sein Leben lang. Nach dem frühen Tod seines Vaters hat Würth 1954 als 19-Jähriger das damals noch junge Unternehmen übernommen – und wurde so über Nacht zum Ernährer der Familie. Damals fuhr er noch mit dem Leiterwagen zu den Kunden, um Schrauben zu verkaufen. Im vergangenen Jahr setzte der Konzern mit 66 000 Mitarbeitern mehr als zehn Milliarden Euro um. Der begeisterte Flieger Würth, der vor sechs Wochen beim Rückflug von Wien selbst am Steuerknüppel saß, verhehlt seinen Stolz auf diese Leistung nicht. „Wenn ich nicht gewesen wäre, wäre das Unternehmen nicht so groß geworden“, sagt er. Er habe die richtigen Leute zur richtigen Zeit eingestellt. Vor allem das mittlere Management lobt er. Dass er die Führungskräfte nach ihrer Konfession auswähle, verweist der Kunstförderer ins Reich der Spekulationen. „Das spielt überhaupt keine Rolle“. Würth ist neuapostolisch.

In der Welt und in Künzelsau zu Hause

Im operativen Geschäft ist der Unternehmer, den ferne Länder locken, der aber auch sehr heimatverbunden ist, schon lange nicht mehr. Vor 22 Jahren zog er sich aus dem Tagesgeschäft zurück und übernahm den Vorsitz im Beirat der Würth Gruppe. 2006 übergab er dieses Amt seiner Tochter Bettina, Würth selbst wurde Vorsitzender des Stiftungsaufsichtsrats. Doch wirklich losgelassen hat er die Fäden wohl nie. „Ein Unternehmen ist wie ein Kind,“ sagt er. Die Sorgen bleiben, auch wenn sie heute im „komfortablen Bereich“ sind. Würth, der auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, ist bei Beiratssitzungen dabei. „Ich greife nicht in die aktive Geschäftsführung ein, aber ich sage, was ich tun würde“, erzählt er. Ist das denn dann nicht Gesetz? „Ich bin doch nicht diktatorisch“, erwidert er. Manchmal argumentiere seine Tochter Bettina gegen ihn. „Es gibt eine dreistellige Zahl an Entscheidungen, wo ich mich eines Besseren belehren ließ“, sagt er. Im Rückblick würde Würth, der auch in den USA Vorlesungen gehalten hat, nichts Grundlegendes anders machen. Nur der Ausflug ins Solargeschäft sei ein Fehler gewesen.

Das Steuerstrafverfahren lässt ihn nicht los

Falsch war es nach seiner Ansicht auch, auf einen Steuerprozess zu verzichten. Das Steuerstrafverfahren im vergangenen Jahrzehnt, dass ohne Gerichtsverhandlung mit einem Strafbefehl über 3,5 Millionen Euro beendet wurde, lässt ihn nicht los. Damit war Würth vorbestraft, was ihn tief gekränkt habe – „das begleitet mich bis an mein Lebensende“, sagt er. „Ich hatte gar nie auch nur einen Cent Schwarzgeld“, verteidigt er sich. Weh tue dies besonders, wenn er an heutige Steuerhinterzieher denke, die sich mit Selbstanzeigen reinwaschen würden. Von seinem Anwalt fühlt er sich „miserabelst“ beraten – mehrfach betont er den Superlativ. Es ist ihm ein kleiner Trost, dass seine Vorstrafe inzwischen gelöscht ist. Aber selbst wenn die Rede vom unternehmensinternen Belohnungssystem Top-Club ist, kommt er wieder auf das Thema Steuern. Das Unternehmen finanziere den 100 bis 120 besten Verkäufern im Jahr einen Urlaub; zuletzt ging es nach Vancouver. Würth: „Nur am Rande – das wird alles korrekt mit dem Finanzamt geregelt“.

Am Montag wird nun Geburtstag gefeiert. 500 Gäste, Freunde und Weggefährten sind zum Festakt in die Freie Schule Anne-Sophie geladen, die seine Tochter Bettina 2006 gegründet hat. EU-Kommissar Günther Oettinger und Außenminister Frank-Walter Steinmeier kommen. Mit dabei sind zweifellos seine Schulkameraden Gerhard Sturm, Gründer des Ventilatorenherstellers EBM-Papst, und Albert Berner, Gründer des gleichnamigen Schraubenhandels – beide auch sehr erfolgreiche Unternehmer. Doch er selbst sei eben erfolgreicher: Berner erziele zehn Prozent des Würth-Umsatzes, EBM-Papst 15 Prozent – „das muss man auch mal sagen“, sagt Würth.