Die Landes-CDU trifft sich am Samstag zum Parteitag. Auf der Tagesordnung stehen Europa und die Bundestagswahl. Doch wie geht es eigentlich im Land weiter? Noch findet die Partei kein Mittel, Grün-Rot auszuhebeln.

Stuttgart - Auch zwei Jahre nach dem Machtverlust kommt die CDU in Baden-Württemberg nur schwer in Tritt. Zwar bietet Grün-Rot Angriffsflächen – die Schuldenpolitik trotz üppig sprudelnder Steuerquellen, die planlos wirkenden Schulreformen, das ratlose Warten auf die Energiewende. Doch alle Attacken der Opposition perlen an der monolithischen Gestalt des Ministerpräsidenten ab. Mit Winfried Kretschmann, dem MP des landesväterlichen Typs, können sich viele Bürger identifizieren. Ein Mann wie das Land: bodenständig, aber keineswegs langweilig – das ist die Wahrnehmung.

 

Fingerbreit oberhalb der Wahrnehmungsschwelle

Der CDU bleibt nur der Neid. Nach einer Führungsfigur, die es mit Kretschmann aufnehmen könnte, sucht sie vergebens. „Dass wir keine Lichtgestalt haben, ist klar“, ist aus dem CDU-Landesvorstand zu hören. Einer aus dem engsten Führungszirkel sagt: „Kretschmann verfügt über den intellektuellen Unterbau, der bei uns in jüngerer Zeit fehlt.“ Verblüffend, aber wahr: ob innerhalb, am Rande oder außerhalb der Partei – weder dem CDU-Landeschef Thomas Strobl noch dem Fraktionsvorsitzenden Peter Hauk wird die Spitzenkandidatur für die nächste Landtagswahl zugetraut. Allerorten senken sich die Daumen. Als die CDU noch die Ministerpräsidenten stellte, galt der jeweilige Chef der Landtagsfraktion wenn nicht als der natürliche, so doch der aussichtsreichste Thronprätendent. Zu seinen Aufgaben zählte, ein Gegengewicht zum Regierungschef zu bilden und die Eigenständigkeit der Fraktion zu wahren. Das galt auch für Peter Hauk, der 2010 als Vertrauter Günther Oettingers und Antipode zu Stefan Mappus an die Fraktionsspitze gelangte. Moderat im Auftreten und modern in den Ansichten: mit diesem Profil würde der Förster, der als Agrarminister bella figura gezeigt hatte, den polarisierenden Polit-Gringo Mappus wunderbar ergänzen. Die Erwartung ging fehl. Hauk blieb schon unter Mappus blass. Als Oppositionsführer und damit landespolitische Nummer eins der CDU verharrt er nur fingerbreit oberhalb der Wahrnehmungsschwelle. Der 52-Jährige wirkt überfordert und verunsichert, was ihn nicht vor Anfällen von Arroganz bewahrt. Ein CDU-Landrat berichtet: „Mein Verhältnis zum SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel ist besser als das zu Hauk. Der eine ruft sofort zurück, beim anderen scheitere ich schon am Sekretariat.“

Die Fraktion klagt über Hauks Rumlaberei

In der Fraktion klagen sie über Hauks „Rumlaberei“, er komme vom Hundertsten ins Tausendste und zeige sich als Besserwisser. Außerdem gelinge es ihm nicht, die disparate Truppe zusammenzuführen. Das sind Stimmen aus dem Kreis derer, die vor geraumer Zeit Stefan Mappus noch ganz toll fanden. Exakt damit ist aber auch Hauks Problem beschrieben. Es gebe in der Fraktion immer noch „Restbestände des anderen Lagers“, so ein CDU-Bezirksfürst. Gemeint sind natürlich die Überlebenden des Mappus-Desasters. Dazu kommen einige vom Machtverlust schwer Traumatisierte, die zum Angriff blasen, wo immer sie eines Grünen oder Roten ansichtig werden. Gefangene werden nicht gemacht, das ist die Denkweise. Nur so ist der Wackelkurs zu erklären, den Hauk und mit ihm die Fraktion etwa in der Frage einnehmen, ob im Nordschwarzwald ein Nationalpark eingerichtet werden soll. Gleiches gilt für den Anlauf bei der Suche nach einem Endlager für Atommüll. Die einen schieben, die anderen bremsen, wohin die Reise geht, weiß allein der Wind.

Die es gut mit Hauk meinen, bescheinigen ihm den Willen zur offenen Diskussion. Aber auch sie können nicht darüber hinwegsehen, dass der Vormann der Fraktion in der Öffentlichkeit nicht gut ankommt. Und bei Debatten im Landtag sind sie schon herzlich froh, wenn er nicht einbricht – an die Wand gespielt von Schmiedel oder, schlimmer noch, dem FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Dass ausgerechnet der Chef der siebenköpfigen Kleinfraktion FDP häufig als „der eigentliche Oppositionsführer“ tituliert wird, nagt gewaltig an Hauk. Und so versucht er es zuweilen mit Imitaten von Rülkes Kampfrhetorik, was ihm jedoch nicht gut bekommt. So bezeichnete Hauk neulich den Nachtragshaushalt der grün-roten Koalition als „Ermächtigungsgesetz“. Der Wettbewerb mit Rülke sei Quatsch, schimpft ein CDU-Vorständler. Rülke wolle mit seinen „zum Teil widerlichen“ Aphorismen nur Aufmerksamkeit auf die FDP zu lenken: „Er muss ja nur über fünf Prozent kommen.“ Die CDU ziele als Mehrheitspartei auf ein breiteres Spektrum. „Die Leute deuten es als Glaubwürdigkeit, wenn man ab und zu etwas Gutes über den politischen Gegner sagt.“ Sonst gerate man in ein Freund-Feind-Denken, aus dem man schwer wieder herauskomme.

Auch Landeschef Strobl gilt nicht als Leuchte

Im Juli tritt Ex-Innenminister Heribert Rech als CDU-Bezirkschef in Nordbaden ab. Hauk bewirbt sich um die Nachfolge, um sich eine Hausmacht zu schaffen. Wichtiger für sein politisches Überleben aber ist, dass er in der Fraktion zwar etliche Gegner und zahlreiche Skeptiker vorfindet, aber keinen starken Konkurrenten. Wo Schatten ist, muss Licht sein. Doch auch Landeschef Strobl gilt in der Partei nicht als Leuchte. Sein Manko: Er war Generalsekretär unter Oettinger wie auch Mappus – was eine gewisse Flexibilität in den Inhalten, mehr aber noch im Stil voraussetzt. Nähe zu Mappus, auch wenn sie in der Vergangenheit liegt, ist hinderlich in einer Partei, die den Neuanfang sucht. „Aktuell geht es darum“, sagt ein Mitglied der CDU-Führung, „dass sich die Partei von Mappus wegentwickelt.“

Allerdings hat sich Strobl im Landesverband inzwischen Meriten erworben. Im Parteivorstand wird neuerdings diskutiert, dazu versucht Strobl die CDU für Themen – und damit Wähler – zu öffnen, die es bisher schwer hatten in der Partei. Das gilt etwa für die Gleichstellung homosexueller Paare oder die Ganztagsschulen. In der Partei begleitet er freundlich das Projekt „Frauen im Fokus“. Er führt die CDU-Landesgruppe im Bundestag, und er ist Vizechef der Bundespartei. Das gibt ihm eine starke Stellung im Land, auch wenn seine Ambitionen auf die Bundespolitik zielen. Doch in Berlin versperrt ihm einstweilen sein Schwiegervater, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, den Aufstieg. Der gar nicht mehr so heimliche Hoffnungsträger der CDU für die Landtagswahl heißt Guido Wolf und ist Landtagspräsident. Der 51-jährige ehemalige Landrat des Kreises Tuttlingen weist genügend Distanz zu Mappus auf, um als unbelastet durchzugehen. „Wolf hält sich für befähigt für die Spitzenkandidatur“, sagt ein Insider. Allerdings müsste er dafür sein Amt als Parlamentspräsident aufgeben. Und die relative Unbedarftheit des potenziellen Kandidaten birgt auch Risiken: Noch nie musste er sich im Feuer einer großen politischen Auseinandersetzung bewähren.

So tröstet man sich in der Landes-CDU mit der Erkenntnis des Parteipatriarchen Erwin Teufel: „Nicht die Opposition wird gewählt, sondern Regierungen werden abgewählt.“ Da kommt es auf den Spitzenkandidaten vielleicht gar nicht so an. Zuletzt zeigte Niedersachsen, dass ein blasser Kandidat wie Stephan Weil (SPD) am Ende eine Landtagswahl gewinnen kann.