Mit dem Aufklärungsformat „Make Love“ erzielten SWR und MDR überdurchschnittliche Einschaltquoten. Umso erstaunlicher, dass die dritte Staffel mit der Sexologin Ann-Marlene Henning nun im ZDF zu sehen ist.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Die dritten Fernsehprogramme erzielen eher selten überregional Aufmerksamkeit – mit der Dokureihe „Make Love“ ist das dem SWR Fernsehen und dem MDR jedoch in hohem Maße gelungen. Klar, das Thema geht alle an und zieht auch in den Medien: Sex. Aber es war vor allem die Machart des Formats, die überzeugte. „Make Love“ ist Aufklärungsfernsehen auf kompetente, zeitgemäße und nie voyeuristische Art.

 

Guter Sex fällt nicht vom Himmel, sondern „Liebe machen kann man lernen“, lautet das Credo der Sendung, die Voraussetzung dafür ist, dass man darüber spricht. Genau das tut die Hamburger Sexologin und Paartherapeutin Ann-Marlene Henning auch in den zwei neuen Folgen: Unverkrampft und mit viel Humor schafft es Henning, ihre Gesprächspartner zum Reden zu bringen. Dabei verliert die gebürtige Dänin nie ihre unaufgesetzte Lockerheit, die nicht ins Flapsige entgleist, auch nicht jenseits der intimen Therapiegespräche bei den Sexszenen mit einem Modellpaar.

Nach bislang behandelten Themenfeldern wie Sexualität im Alter geht es an diesem Dienstag um „Sex ohne Leistungsdruck“: Die Psychologin zeigt auf, wie man beim Sex Erwartungshaltungen ein Schnippchen schlagen kann und diskutiert darüber mit Fußballspielern; außerdem verraten ihr Holsteiner Landfrauen, wie man im Bett nach vielen Jahren Partnerschaft neue Impulse setzen kann. In der zweiten Folge (4. August) ist „Sex mit Hindernissen“ das Thema.

Eine Zäsur bei der ARD

Mit der von der Berliner Produktionsfirma Gebrüder Beetz produzierten Reihe trafen SWR und MDR den Nerv der Zuschauer und erzielten überdurchschnittliche Einschaltquoten; beim SWR Fernsehen lag das Zuschauerinteresse bei der ersten Staffel mit 7,2 Prozent durchschnittlichem Marktanteil über dem Sendeplatzschnitt. Nach einem solchen Erfolg ist es umso erstaunlicher, dass die beiden dritten Programme einen Schlussstrich gezogen haben: das Format ist beim ZDF zu sehen.

„Wir sind dankbar für die gute Zusammenarbeit mit Ann-Marlene Henning, die mit Fachkompetenz, Fingerspitzengefühl und Natürlichkeit wesentlich zum Erfolg von ,Make Love‘ beigetragen hat“, heißt es seitens des SWR Fernsehens von der Leiterin der Hauptabteilung Service und Familie, Sylvia Storz. In acht Folgen seien vielfältige Themen des Beziehungs- und Sexuallebens sehr tiefgründig bearbeitet worden. „Das war das gesteckte Ziel, das nun erreicht ist und auf das wir stolz sind. Das Ende der Dokuserie ist eine Zäsur, doch sie kommt aus unserer Sicht zum richtigen Zeitpunkt“.

Dabei hatte sich der Produzent Christian Beetz erhofft, mit einer weiteren Fortsetzung ins Hauptprogramm der ARD zu kommen. „Das Thema Sex, seriös bearbeitet, sollte ein größeres Publikum erreichen“, ist Beetz überzeugt. Doch die ARD-Verantwortlichen hätten abgewinkt. „Die Sendeplätze seien fest vergeben, unter anderem mit Talkshows belegt“, erzählt der Produzent. Schon bei der zweiten Staffel zeigte sich die Zurückhaltung der Dritten: Gegenüber der fünfteiligen ersten Staffel gab es nur noch drei Ausgaben.

Im Zweiten – und nicht versteckt

Dass die Dokureihe nun ausgerechnet beim öffentlich-rechtlichen Konkurrenten der ARD, im ZDF, läuft, hat Produzent Beetz dem beherzten Entgegenkommen von Peter Arens, dem Leiter der ZDF-Hauptredaktion Kultur und Wissenschaft, zu verdanken. Nachdem das Format beim World Congress of Science and Factual Producer in Montreal eingeladen war und dort eine „Riesendiskussion“ in Gang gesetzt hatte, habe ihm Peter Arens den Zuschlag gegeben: „Er würde sich trauen, ,Make Love‘ zu zeigen, und zwar im Zweiten und nicht etwa versteckt auf ZDF Neo“, berichtet Beetz von den Gesprächen.

Man einigte sich auf sechs neue Folgen, zwei sind in diesem, vier weitere im nächsten Sommer zu sehen. An der Machart ändert sich im Wesentlichen nichts. „Das ZDF hat uns mehr Drehtage zur Verfügung gestellt, dadurch sind wir in den neuen Folgen noch näher an den Paaren dran“, so Beetz.

Einen dicken Wermutstropfen allerdings gibt es: „Das ZDF übernimmt unsere Website www.make-love.de nicht“, so Christian Beetz. Damit können auf der formateigenen Internetseite aus rechtlichen Gründen nur noch kurze Ausschnitte aus den Sendungen gezeigt werden. In voller Länge sind die neuen Folgen nach der Ausstrahlung in der ZDF-Mediathek zu sehen.

Das Ziel ist die Primetime

Weil das für den Grimme-Online-Award nominierte Webportal ein wesentlicher Pfeiler des trimedialen Formats ist und bislang sehr erfolgreich war, haben sich die Produktionsfirma und Ann-Marlene Henning entschieden, die Internetseite in Eigenregie zu betreiben. Damit werden auch die Jugendschutzauflagen der Öffentlich-Rechtlichen umgangen, die bisher die Freischaltung der Inhalte erst nach 22 Uhr und ein Verbot der Einbindung der sozialen Medien zur Folge hatten.

Das Ziel von Christian Beetz: in der Primetime zu laufen, „um die jüngere Generation zu erreichen“. Das wäre rein rechtlich möglich, da das Format eine Altersfreigabe durch die FSK bekommen hat, von bisher 16 auf 12 Jahre. Einer Ausstrahlung um 20.15 Uhr steht damit nichts mehr im Wege. Ob der Mut von Peter Arens und der Mainzer Sendeanstalt wohl im nächsten Sommer so weit reicht?