Die einen sind eher Frühaufsteher, die anderen kommen erst abends so richtig auf Touren. Nun zeigt die Analyse eines Genetik-Unternehmens, welche Gene für die Einstellung der inneren Uhr verantwortlich sind.

Menschen unterscheiden sich auch darin, wie schnell ihre inneren Uhren ticken. Bei den einen gibt die Uhr unentwegt Gas und muss eingebremst werden. Diese Frühaufsteher werden von Chronobiologen Lerchen genannt. Die anderen haben ein eher langsam tickendes inneres Uhrwerk und werden erst spät wach. Diese Abendtypen oder Spätaufsteher heißen – chronobiologisch – Eulen. Sie benötigen nicht mehr Schlaf als die Lerchen, weshalb der Begriff Langschläfer in die Irre führt. „Man müsste sie eigentlich Spätschläfer nennen“, sagt Till Roenneberg, Chronobiologe an der Münchner Ludwig Maximilians Universität.

 

Roenneberg erforscht den sogenannten Chronotyp der Menschen. Jeweils etwa ein Sechstel der Bevölkerung zählt zu Eulen oder Lerchen. Zwei Drittel sind Durchschnitt. Das sei logisch, sagt Roenneberg, da am biologischen Uhrwerk viele Gene zugleich beteiligt seien. Er vergleicht das Phänomen mit der Körpergröße: „Mittelgroße Menschen sind in der Mehrheit, die Extreme sind selten.“

Solche Annahmen über den Chronotyp beruhen vor allem auf Indizien. Alles spricht zwar dafür, dass wir unseren individuellen Hang zur Morgenmuffeligkeit oder zum Frühaufstehen geerbt haben. Welche Genvarianten dabei aber genau den Unterschied ausmachen, war weitgehend unklar. Diese Wissenslücke schließt jetzt eine Untersuchung von David Hinds und Kollegen des US-amerikanischen Unternehmens 23andMe, das kostenpflichtige Gentests für Jedermann anbietet.

Die Genetiker werteten Daten von fast 90 000 ihrer Kunden aus und setzten sie in Zusammenhang mit den Angaben, die die Personen über ihren Chronotyp gemacht hatten. Als Resultat dieser „genomweiten Assoziationsstudie“ präsentierten die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ nun 15 Abschnitte im Erbgut der Frühaufsteher, in denen diese sich signifikant von anderen Menschen unterscheiden. Sieben davon befanden sich direkt bei sogenannten Uhren-Genen – Genen, die Codes für Eiweiße enthalten, die je nach Tageszeit unterschiedlich gelesen werden.

Die Kunden von 23andMe werden in Zukunft also nicht nur erfahren, ob sie eine Veranlagung zu Übergewicht, Allergien oder zu bestimmten Krebsarten haben. Man wird ihnen auch mitteilen, ob sie einen Wecker brauchen oder nicht.

Das könnte zu einem gesellschaftlichen Umdenken führen. In Deutschland und den meisten anderen Industrieländern sind die gängigen Arbeits- und Schulzeiten nämlich nicht synchron mit den inneren Rhythmen der Eulen und meisten Durchschnitts-Chronotypen, insgesamt also der deutlichen Mehrheit der Bevölkerung. Dieser „soziale Jetlag“ bewirkt, dass sehr viele Menschen chronisch zu wenig Schlaf bekommen. Ein Gentest würde das Problem offensichtlich machen.

Hierzulande benötigen vier Fünftel der Bevölkerung werktags einen Wecker. Es gibt deshalb Ansätze, etwas gegen die grassierende Unausgeschlafenheit zu unternehmen. So wird schon heute in Modellprojekten der Chronotyp von Schichtarbeitern per Fragebogen bestimmt, um deren Arbeitszeit biologisch sinnvoll aufzuteilen. Menschen vom Typ Eule müssten nicht mehr in Frühschichten arbeiten, und Lerchen nicht mehr in Nachtschichten. Diese Aufgabe könnte in Zukunft ein Gentest übernehmen. Er dürfte manchem chronisch Kranken helfen, die wahre Ursache seines Leidens zu finden: das permanente Arbeiten gegen den eigenen Rhythmus.