Die Arbeitslosenzahl erreicht ein neues Rekordtief, die Nachfrage nach Arbeitskräften ist hoch. Dieses positive Umfeld muss genutzt werden, um Langzeitarbeitslose in Beschäftigung zu bringen, fordert StZ-Redakteur Thomas Thieme.

Stuttgart - Das Risiko, arbeitslos zu werden, ist nach den Worten von Frank-Jürgen Weise momentan sehr gering. Wenn er am Ende eines Monats die neuen Arbeitsmarktzahlen präsentiert, braucht der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA) in der Regel nur wenige Sätze Anlauf, bevor er – egal wie gut die gerade vorgelegten Zahlen sind – auf die Euphoriebremse tritt und die Risiken darlegt, die das derzeitige arbeitsmarktpolitische Umfeld trotz alledem in sich birgt. Am Dienstag hingegen hat der sonst vorsichtig formulierende Behördenleiter den Ausblick für das laufende Jahr mal eben vervierfacht; ursprünglich rechnete er auf Jahressicht mit einem Rückgang der Arbeitslosenzahlen um 25 000, nun sind es 100 000.

 

Die Auftragsbücher der deutschen Industrie sind gefüllt, die Verbraucher in Kauflaune und selbst in den südeuropäischen Krisenländern geht es vorwärts. Daher ist der Optimismus des Realisten Weise durchaus berechtigt. Um die starke Nachfrage im Inland, aber auch die sich verstärkende Nachfrage in den europäischen Nachbarstaaten befriedigen zu können, braucht die deutsche Wirtschaft Personal; Mechatroniker, Elektrotechniker, Maschinen- oder Fahrzeugtechniker sind sehr gesucht. Auch im Handwerk und im Einzelhandel herrscht reger Bedarf. Generell sieht die BA kaum noch eine Branche, in der es keine freien Stellen gibt; die Arbeitskräftenachfrage ist so hoch wie seit elf Jahren nicht mehr.

Ein Teil der Gesellschaft ist allerdings nach wie vor abgehängt: Etwa eine Million sogenannte Langzeitarbeitslose – Menschen, die seit mehr als einem Jahr arbeitslos sind – weisen die BA-Statistiken seit Langem konstant aus. Die Gründe, wieso diese Männer und Frauen keine Beschäftigung finden, sind vielfältig. Nicht selten steckt eine Krankheit dahinter oder die Tatsache, dass eine arbeitslose Person alleinerziehende Kinder betreut oder einen Angehörigen pflegt. Alle Begründungen mögen für sich genommen plausibel gegen eine Vermittlung in eine Vollzeit- oder auch nur in eine Teilzeitstelle sprechen. Sie dürfen aber einer sinnvollen Ausbildung, Umschulung oder Weiterbildung des Betroffenen nicht im Weg stehen. Wenn es in guten Zeiten am Arbeitsmarkt nicht gelingt, die Menschen zu qualifizieren und zu integrieren, gelingt es nie.