Wie ist das, Gast sein in Stuttgart? Die StZ will diese Frage beantworten und schaut deshalb in den Stuttgarter Hotels vorbei. Sven Hahn hat sich in die alte Lady unter den hiesigen Hotels begeben: Er war auf Kurzurlaub im Graf Zeppelin am Hauptbahnhof.

Stuttgart - In der Nacht zum 9. Juli 2006 wird vor dem Luxus-Hotel gegenüber des Stuttgarter Bahnhofs ein Satz geprägt, der Fußballfans noch heute vom Sommermärchen träumen lässt. Doch ohne Thomas Feldmeyer hätte niemand je erfahren, dass Stuttgart tatsächlich viel schöner ist als Berlin.

 

Feldmeyer ist der sogenannte Bankettservice Manager im Steigenberger-Hotel am Arnulf-Klett-Platz. „Ich kümmere mich um alles, was mit Veranstaltungen zu tun hat“, sagt er. Während der WM 2006 war der Anhänger des 1. FC Kaiserslautern das Bindeglied zwischen Mannschaften und Hotel. Und: er sperrte Schweinsteiger, Ballack, Podolski und Co. die Fenster im ersten Stock auf, damit die gemeinsam mit den 20 000 vor der Hautür singen konnten.

Schweinsteiger und Podolski stürmen die Treppe rauf

Der Bankettchef hat einen Ordner mit Bildern angelegt und Erinnerungsstücke gesammelt. „Das ist der originale Schlüssel, mit dem ich damals die Fenster aufgemacht habe“, berichtet er. Schweinsteiger und Podolski seien nachts um 1 Uhr als erste die Treppe hinaufgestürmt und wollten, dass ich die Fenster aufreiße, sagt er. „Die haben wir erst wieder geschlossen, als der Polizeichef reinkam“, sagt Feldmeyer.

Die Mitarbeiter des Graf Zeppelin bezeichnen ihr Haus gerne als die alte Lady der Stuttgarter Hotels. Unter der Woche kommen Geschäftsleute, in den Sommermonaten die gut betuchten Einkaufstouristen aus aller Welt. „Die Gäste aus dem arabischen Raum machen zwar nur zwei bis drei Prozent aus, sie haben aber die stärkste Wirkung nach außen“, erzählt die PR-Chefin, Carolin Münch. Eine Probenacht im Hotel in der eigenen Stadt bestätigt Münchs Worte. In der Lobby sitzt eine Großfamilie aus 1001er Nacht. Die Kinder toben über den blau-goldenen Teppich, die Frauen ziehen ein Designertäschchen nach dem nächsten aus Tüten, auf denen das Logo des Outletstädtchens Metzingen prangt.

Das Familienoberhaupt sitzt derweil ein paar Tische weiter zusammen mit seinem Dolmetscher in tiefe Sessel versunken. Vor ihm mühen sich zwei Autoverkäufer. Summen im fünfstelligen Bereich schwirren durch den Raum, die Details der Sonderausstattung werden besprochen. Die Vorschläge der emsigen Verkäufer nickt der Mann mit dem markanten schwarzen Schnauzbart gelassen ab. Nach einer Stunde packt er seine Kataloge unter den rechten Arm und verabschiedet sich.

Kleines Finale – Sieg – Riesenparty

Zurück zu Thomas Feldmeyer. Der Bankettchef kramt in seinem Ordner. „Das hier hing am schwarzen Brett der deutschen Mannschaft am Tag des kleinen Finals“, sagt er. „Informationen, Spiel um Platz 3, Deutschland – Portugal“, steht da. Das Datum, 8.7.2006 wurde von Hand daneben geschrieben. Den Ablauf des Abends hatten die Betreuer bis auf die Minute durchgetaktet – 20.10 Uhr: Aufwärmen Torhüter, 20.15 Uhr: Aufwärmen Spieler, 20.49 Uhr: Spieler verlassen Kabine – Begrüßung durch Joseph S. Blatter und Franz Beckenbauer, 21 Uhr: Anstoß. „Das hier finde ich immer wieder großartig“, freut sich Feldmeyer. Auf der zweiten Seite steht noch: „Kleines Finale – Sieg – Riesenparty!“ Die WM 2006 wirkt im Graf Zeppelin bis heute nach. „Wir haben damals die Heimmannschaften zugeteilt bekommen“, erinnert sich der Bankettchef. „Das war purer Zufall.“ Somit waren die Teams aus Frankreich, Kroatien, Spanien, den Niederlanden, England und Deutschland im Zeppelin zu Gast. Abgesehen davon, dass noch heute regelmäßig Gäste nach genau den Fenstern fragen, von denen aus Klinsmanns Jungs mit den 20 000 vor der Tür die Schönheit Stuttgarts besungen haben, existieren noch ganz andere WM-Erinnerungen. „Wir haben immer wieder Frauen, die genau in dem Zimmer schlafen wollen, das David Beckham damals bewohnt hat“, erzählt Feldmeyer.

Klinsmann versteckt sich hinter dem Vorhang

Und noch ein Detail aus der WM-Nacht im Sommer 2006 verrät der FCK-Fan. „Der Bundestrainer Jürgen Klinsmann war an den Fenstern kaum zu sehen“, sagt er. Klinsmann wollte ein wenig Ruhe. Mit Hilfe von Thomas Feldmeyer konnte er sich im dunklen Frühstücksraum hinter einem Vorhang verbergen. „Dort hat er mit seiner Frau sicher eine halbe Stunde gesessen und das Spektakel vor dem Hotel genossen“, erinnert sich der Bankettchef.