Die Tochtergesellschaft Germanwings übernimmt das Europa-Geschäft von der Lufthansa. Dadurch sollen die Kosten deutlich sinken. Die Kunden sollen hohe Qualität bekommen, aber günstiger davonkommen. Im Interview erklärt Lufthansa-Vorstand Carsten Spohr die Vorteile der neuen Strategie.

Frankfurt – Just zu dem Zeitpunkt, an dem Lufthansa ihre Tochter Germanwings aufwertet, droht Streik wegen laufender Tarifgespräche. Die neue Germanwings werde aber auf jeden Fall abheben, erklärt der Lufthansa-Passagevorstand Carsten Spohr. Er glaubt, dass die Kunden den Service von Germanwings schätzen werden.
Herr Spohr, Sie wollen den Europaverkehr durch eine grundlegende Neuordnung profitabel machen. Ausgerechnet zum offiziellen Start der „neuen Germanwings“ drohen nun Streiks. Wird das ganze Vorhaben dadurch gefährdet?
Nein, sicher nicht. Die „neue Germanwings“ startet pünktlich am 1. Juli. Das ist eine der großen strategischen Weichenstellungen der Lufthansa, die wir uns im Rahmen unseres Zukunftsprogramms Score vorgenommen haben. Das setzen wir in die Tat um. Sorgen bereitet uns schon eher die Frage, inwieweit Streiks oder zu hohe Tarifabschlüsse die zukünftige Dimension der Germanwings beeinflussen können. Denn die wesentliche Existenzgrundlage der Germanwings ist ihre gute Kostenposition. Die muss nicht nur deutlich günstiger sein als die der Lufthansa, sondern sie muss auch im Wettbewerb mit anderen Billiganbietern bestehen können. Wenn das irgendwann nicht mehr der Fall wäre, und sei es auch nur auf einzelnen Strecken, dann müssten wir uns möglicherweise von solchen Strecken oder auch Standorten zurückziehen. Das wollen wir natürlich nicht und das gilt es zu verhindern. Die Streikandrohung bei Germanwings war vor diesem Hintergrund wenig hilfreich und vor allem auch deshalb unnötig, weil wir noch mitten in den Verhandlungen sind. Reisende wurden verunsichert, obwohl es noch gar keinen Grund gibt, von einem Scheitern der Gespräche auszugehen.

Welche Einsparungen bringt die Verlagerung der europäischen Flüge auf Germanwings?
Germanwings ist je nach Kostenposition zwischen 20 und 30 Prozent günstiger, als wir es mit der Marke Lufthansa sein können. Zum einen durch höhere Produktivität, weil unter anderem die Sitzladefaktoren im unteren Preissegment höher und damit die Kosten pro Sitz geringer sind. Zum anderen hat Germanwings Kostenvorteile bei der Abfertigung an den Flughäfen oder auch durch günstigere Tarifverträge. Dabei verdienen die Mitarbeiter meistens gar nicht weniger, aber sie arbeiten für das gleiche Geld mehr. In der Summe sind die Kostenvorteile so groß, dass wir mit der Marke Germanwings die Flugstrecken abseits von unseren Drehkreuzen Frankfurt und München in die schwarzen Zahlen bekommen.

Wären ähnliche Vorteile nicht durch eine Neuorganisation des Europaverkehrs unter dem Dach der Lufthansa möglich gewesen?
Wir haben das ja mehrfach versucht, etwa mit Lufthansa Express oder mit Programmen an den Standorten Hamburg und Berlin. Obwohl wir zuletzt in Berlin vieles erreicht haben, zeigen die Erfahrungen, dass wir mit Germanwings in diesem Segment besser unterwegs sind. Denn an der Marke Lufthansa hängen zu viele Kosten, die uns gegenüber Billiganbietern Wettbewerbsnachteile bringen. Tarifverträge oder Flughafenverträge sind direkt mit der Marke Lufthansa verknüpft. Auch der Kunde erwartet, wenn Lufthansa draufsteht, eine hochwertigere Serviceleistung ohne Aufpreis und Extrakosten. Bei Billiganbietern besteht dagegen eine völlig andere Erwartungshaltung, selbst wenn das Ticket den gleichen Preis hatte. Jetzt werden wir die günstigere Kostensituation der Germanwings mit der Vertriebsstärke der Lufthansa kombinieren. Ich bin sicher, dass wir so deutlich profitabler werden können.

Ist der neue Name nicht doch ein Risiko? Eine ehemalige Lufthansa-Tochter, die Condor, hat den Versuch, ihre Marke umzubenennen, schnell wieder aufgegeben. Es könnte Lufthansa-Kunden auch verwirren, dass die Drehkreuze Frankfurt und München von der Neuordnung ausgenommen sind.
Germanwings ist ja keine neue Marke, sie ist schon zehn Jahre erfolgreich im Markt, wird gut angenommen und zählt unter den Billiganbietern zu den Marken, deren Qualität hoch eingeschätzt wird. Daher mache ich mir keine Sorgen. Zudem muss man feststellen, dass unsere Kunden deutlich besser informiert sind als das vor zehn Jahren der Fall war. Die Kunden wissen genau, was sie wollen, dank des Internets stellen sie sich Flugreisen individuell zusammen. Die „neue Germanwings“ haben wir ganz bewusst in ihrem Auftritt näher an die Lufthansa gerückt. Ich sage meinen Mitarbeitern immer: Die Germanwings ist für Lufthansa das, was Mini für BMW ist. Es ist eine zweite Marke, die einerseits jung und frisch im Trend liegt, andererseits profitiert sie davon, Teil der Lufthansa zu sein.