Wegen des Hungertods eines Gefangenen in Bruchsal hatte die CDU im Landtag die Entlassung des Justizministers beantragt – vergeblich. Grün-Rot schloss die Reihen, die FDP enthielt sich.

Stuttgart - Die erste Runde in der Verteidigung seines Amts hat Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) am Mittwoch erwartungsgemäß überstanden. Die grün-rote Koalition lehnte einen Entlassungsantrag der CDU-Fraktion geschlossen ab, so dass die nach der Landesverfassung nötige Zweidrittelmehrheit bei weitem verfehlt wurde. Überdies enthielten sich die Freidemokraten. Sie wollen erst noch den Ausgang der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zum Hungertod des 33-jährigen Rasmane K. am 9. August in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bruchsal abwarten. Zuletzt hatte die Staatsanwaltschaft ein Gutachten in Auftrag gegeben, mit dem geklärt werden soll, ob der Mann aus Burkina Faso klaren Sinnes und aus freiem Willen die Anstaltskost verweigerte. Bereits für den Dezember 2013 ist die Einschätzung der Justizvollzugsanstalt Bruchsal belegt, „dass ein wahnhaftes Geschehen (mit-)ursächlich für die Angriffe des Gefangenen“ sei.

 

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke ließ im Landtag deshalb auch deutlich erkennen, dass er Justizminister Stickelberger noch keinesfalls am rettenden Ufer sieht. „Für uns ist es ein Unterschied, ob der Tod ein unabweisbarer Vorgang war, ohne Verschulden von Dritten, oder ob sich herausstellt, dass das Verhungern verhindert hätte werden können und müssen.“ Im Klartext: Sollte sich zeigen, dass Rasmane K. in seiner Einzelhaft unter den Augen der Justizbediensteten dem Tod überlassen wurde, stellt sich für die FDP die Frage nach der politischen Verantwortung des Justizministers neu. Laut Rülke zumal dann, „wenn es eine Kette von Fehlern gibt, die ins Ministerium führen“.

Rechtswidrig in Einzelhaft

Die CDU-Fraktion sah hingegen schon jetzt den Zeitpunkt für Stickelberger gekommen, den Hut zu nehmen. Fraktionschef Peter Hauk warf Stickelberger vor, er habe „in der Aufsicht durch Organisationsfehler, aber auch in der Aufklärung versagt“. Und eine „Perspektive für einen grundlegenden Neuanfang“ könne der Justizminister auch nicht bieten. Hauk betonte einmal mehr, der Fokus der Kritik liege nicht auf der Arbeit der Justizbediensteten, sondern auf der politischen Verantwortung des Ministers.

Hauk wies unter anderem darauf hin, dass sich Rasmane K. zum Zeitpunkt seines Todes bereits mehr als ein Vierteljahr rechtswidrig in Einzelhaft befunden habe. Der Mann saß tatsächlich schon seit geraumer Zeit in der, so der Fachbegriff, „unausgesetzten Absonderung“. Doch hatte es die Gefängnisleitung zuletzt versäumt, die alle drei Monate nötige erneute Prüfung der Einzelhaft durch das Ministerium zu veranlassen. Das Ministerium hingegen glaubte davon ausgehen zu können, dass die Einzelhaft beendet sei, da kein neuer Antrag auf Verlängerung eingegangen war. Rasmane K. verschwand gewissermaßen vom Radarschirm des Justizministeriums, befand sich aber noch in Einzelhaft.

Kretschmann: „Justizminister hat mein volles Vertrauen“

Ein Systemfehler in der Aufsicht, der aber – darauf hinzuweisen legte SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel großen Wert – einer langjährigen Praxis entsprach, die weit in die Zeit vor dem Regierungswechsel 2011 zurückreicht. Der FDP-Abgeordnete und frühere Justizminister Ulrich Goll verwahrte sich gegen den Vorwurf, es habe auch schon früher „eine lasche Handhabung gegeben“. Goll, der in dem für Rechts- und Verfassungsfragen zuständigen Ständigen Ausschuss des Landtags die FDP vertritt, befindet sich allerdings in einer nicht unproblematischen Lage. Als Ausschussmitglied bewertet er Vorgänge im Justizministerium, deren rechtlichen Rahmen er als Minister selbst gestalten konnte.

Justizminister Stickelberger trat im Landtag dem Vorwurf des Nichthandels mit dem Hinweis entgegen, dass er den Leiter der JVA Bruchsal vom Dienst suspendiert habe. Die Verfahrensabläufe im Ministerium seien verbessert, zusätzliches Geld für den Umgang mit verhaltensauffälligen Häftlingen bewilligt worden.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte, der Minister Stickelberger habe gehandelt, nachdem Mängel im System offenbar geworden seien. Und er endete mit dem Satz. „Der Justizminister hat mein volles Vertrauen.“