Markus Götting wurde zum Wohnwagenfan und hat über diese Wandlung ein Buch geschrieben.

Leben: Susanne Hamann (sur)

Hätten Sie es vor 15 Jahren für möglich gehalten, dass Sie mal auf einem Campingplatz Urlaub machen?
 Im Leben nicht! Das wäre sozusagen der maximale Albtraum für mich gewesen. Camping war für mich immer der Inbegriff deutscher Spießigkeit und das Gegenteil von Komfort.

 

Was waren Sie bis dato für ein Urlaubstyp?
Ein sehr gewöhnlicher. Als Kind habe ich den ganzen Schrecken des deutschen Pauschaltourismus mitgemacht – vom Urlaub auf dem Bauernhof bis zu den Ferien im Hotel auf Mallorca, wo man sich nach der Ankunft im Charterflieger schon beim Check-In überlegen musste, in welcher Schicht man essen möchte. Ich habe Urlaub in Clubs gemacht und mich von hyperaktiven Animateuren von der Poolliege schmeißen lassen. Ich bin wahnsinnig gerne zu Freunden gefahren, die im Ausland leben. Doch das ist jetzt passé.

Weil Sie in eine überzeugte Camperfamilie eingeheiratet haben und quasi aus Liebe zum Wohnwagenfan wurden. Wie haben Sie diese Integrationsleistung geschafft?
Mit Mühe. Ich habe etwas getan, was ich normalerweise nicht mache: mich darauf eingelassen. Am Anfang war ich froh, dass viele meiner Vorurteile bestätigt wurden. Doch dann wollte ich verstehen, warum meiner Frau diese Urlaubsart und dieser Urlaubsort so viel bedeutet. Es hat einige gegrillte Nackensteaks gebraucht und literweise Kölsch. Und ich musste akzeptieren, dass auf einem Campingplatz eine Privatsphäre wie in einem Swingerclub herrscht – man hockt permanent aufeinander, ohne Ausweg. Natürlich kann man sich auch zwei Wochen sauertöpfisch hinhocken und versuchen, seiner Frau die Ferien zu vermiesen. Doch das ist für eine Ehe nur suboptimal. Also habe ich mich einfach mal mit den Leuten unterhalten, und versucht, das Milieu zu verstehen – wie ein Ethnologe.

In Ihrem Buch schildern Sie sich als handwerklich eher mittelmäßig begabt. Keine gute Voraussetzung, um Freunde unter den do-it-yourself-affinen Zeltnachbarn zu finden, oder?
Ich bin leider nicht mal mittelmäßig begabt, sondern extrem ungeschickt. Handwerklich kann ich nicht viel mehr beitragen als Werkzeug anzureichen und Bierflaschen zu öffnen. Das führt irgendwann zu Mitleideffekten. Zum Beispiel, wenn die Leute ein sich streitendes Paar beim Versuch beobachten, ein Vorzelt aufzubauen, das irgendwann auch noch einstürzt. Dann kommt einer und hilft.

Sie schreiben, Camping sei Urlaub für Leute, die eigentlich keine Ferien ertragen. Andauernd muss man irgendetwas arbeiten wie putzen, waschen, spülen oder den Toilettentank entleeren. Wie können Sie sich da erholen?
Indem man Erholungslücken findet. Einerseits herrscht auf dem Campingplatz eine Alltagsroutine. Man muss alles machen, was man zu Hause macht, wenn man – so wie wir – keine Putzfrau hat. Aber natürlich füllt das nicht den ganzen Tag aus, zudem teilen wir uns die Arbeit. Da ich nichts kann, werde ich immer zum Spülen geschickt und bin an der langen Reihe von Spülbecken der einzige Mann. Doch ich habe nicht das Gefühl, etwas zu verpassen. Wir fahren immer nach Apulien, in einen Ort namens Peschici. Da gibt es nicht zu verpassen. Es ist der langweiligste Ort der Welt – keine Sehenswürdigkeit, keine Attraktionen, keine Veranstaltungen, einfach überhaupt nichts. Für jemanden wie mich, der die letzten Jahre als Auslandsreporter durch die Welt gehetzt ist, ist das natürlich großartig. Man setzt sich mit einem Riesenstapel Bücher unter das Sonnensegel, schaut aufs Meer und holt sich ab und zu ein kaltes Getränk aus dem Kühlschrank. Unser Wohnwagen steht immer direkt in der ersten Reihe am Meer, wie eine Strandhütte, wunderschön!

Was schätzen Sie noch am Campingurlaub?
Die wahnsinnige Aufrichtigkeit der Menschen. Das Campingmilieu ist sehr gesellig. Wenn man aus der Großstadt kommt, wo das Leben anonym ist, mag man diese Herzlichkeit. Und ich schätze die erdverbundene und flexible Art des Reisens. Zumindest Wohnmobilbesitzer können hinfahren, wo immer sie Lust haben. Wenn es ihnen nicht gefällt oder das Wetter schlecht sein sollte, packen sie einfach ihr Zeug ein und fahren weiter. Das entspricht unserem Zeitgeist, weil es so unverbindlich ist.

Steuern Sie auch mal einen anderen Platz an oder nur das in Ihrem Buch beschriebene apulische Fischerdorf Sepiana alias Peschici?
Nein, das wäre der Familie nicht zu vermitteln. Unser Wohnwagen steht das ganze Jahr über bei einem apulischen Bauern und wird immer dann auf den Campingplatz gezogen, wenn einer von uns dort Urlaub machen möchte. Für uns ist das eine zweite Heimat. Meine Frau kennt da jeden Dorflümmel, auf dem Platz sind wir mit allen Touristen und den Beschäftigen bekannt. Es ist für uns eine Art Ferienwohnung, nur mit Rädern.

Sparen Sie schon auf ein eigenes Luxus-Reisemobil mit Fußbodenheizung, mit dem Sie als Rentner vom Nordkap bis nach Brindisi tuckern?
Leider ist es bis dahin noch ein bisschen hin. Ich finde diese Dinger im Prinzip schon wahnsinnig cool, fürchte aber, dass es bei meinem Geschick im Chaos enden würde. Ein großes Wohnmobil ist schließlich wie ein Lkw. Nein, wenn ich in Rente gehe, möchte ich gerne in Kitzbühel auf der Alm hocken und meine Ruhe haben.

Der Journalist Markus Götting wurde vor 40 Jahren in Mettmann geboren. Nach dem Studium der Politikund Kommunikationswissenschaft arbeitete er bei der „Süddeutschen Zeitung“, dem „SZ-Magazin“ und beim „Stern“. Im April wechselte er zur Zeitschrift „Bunte“. Götting ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in München. Sein Roman „Alles azzuro“ ist im Ullstein-Verlag erschienen (8,99 Euro).